APRIL
|
2007
|
Rubriken |
Service |
Kontakt |
Gästebuch |
Die Metapher:
Wie Sargnagel, Perle und Drahtesel unser Denken bestimmen
|
|
Der Sargnagel,
der Wüstensohn und der Drahtesel haben eine wichtige Gemeinsamkeit:
Alles drei sind Metaphern. Natürlich sind es nicht gerade diese
drei Fälle von Metaphern, die uns in unserem täglichen Denken
und Sprechen begegnen, sondern vielmehr der allgemeine zugrundeliegende
Mechanismus. Denn immer deutlicher zeigt sich, dass dieser keineswegs
nur ein rhetorisches Stilmittel in ausgefeilten Texten darstellt, sondern
dass unsere alltägliche Sprache, ja sogar unser Denken, davon betroffen
ist.
Der Begriff der Metapher stammt aus dem griechischen (metà = über, nach, hinter und phérein = tragen) und bedeutet soviel wie Übertragung. Ein Wort wird also nicht in seiner ursprünglichen Bedeutung verwendet, sondern mit einer übertragenen Bedeutung. Dies ist auch bei anderen sogenannten Tropen, wie Metonymie oder Synekdoche der Fall. Charakteristisch ist jedoch, auf welche Art jeweils die Übertragung geschieht. Die Metapher beruht auf einer Ähnlichkeitsbeziehung oder einem impliziten Vergleich zwischen der wörtlichen Bedeutung des jeweiligen Ausdrucks (dem Quellkonzept) und dem in einem bestimmten Zusammenhang Gemeinten (dem Zielkonzept). So bezeichnet normalerweise der "Drahtesel" eben nicht einen Esel aus Draht, sondern ein Fahrrad, das aber einem Esel gleicht, indem es seinen Besitzer brav auf dem "Rücken" trägt. Genauso wenig ist "Perle" in einem Satz wie "Unsere Haushälterin ist eine echte Perle" wörtlich zu verstehen, sondern eher als Beschreibung des Sachverhalts, dass wirklich zuverlässige und gewissenhafte Haushälterinnen genauso selten, besonders und kostbar sind wie Perlen. Und auch der Sargnagel kann, neben seiner wörtlichen Bedeutung, übertragen für eine Person verwendet werden, die für Tod oder Unglück einer anderen verantwortlich gemacht wird. Bemerkenswert ist, dass diese drei Metaphern bereits mehr oder weniger lexikalisiert, d. h. mit ihrer metaphorischen Bedeutung fester Bestandteil des Wortschatzes sind. Andere Metaphern funktionieren jedoch als spontane, kreative Bildungen, bei denen die übertragene Bedeutung keineswegs konventionalisiert ist und nur im jeweiligen Kontext verstanden werden kann (z. B. wenn in einem Zeitungsartikel über die Währungsunion der EU die Rede von Klassenbesten und Nachzüglern bzw. schlechten Schülern die Rede ist, um die Staaten, die sich um niedrige Inflationsraten und Staatsverschuldung bemühen, von denen zu unterscheiden, die weniger Anstrengungen zur Erfüllung der Maastricht-Kriterien unternehmen). Wie genau der Übertragungsmechanismus zwischen den zwei Konzepten funktioniert, ist Gegenstand theoretischer Diskussionen: Ältere Theorien, wie die sogenannte Substitutions- oder Vergleichstheorie betrachten die Metapher lediglich als eine Ersetzung eines Begriffs durch einen impliziten Vergleich, meist mit dem Ziel einer rhetorischen Ausschmückung. Neuere Theorien jedoch sehen eine Metapher nicht nur als Ersetzung des normalerweise gebräuchlichen Wortes, da jede Metapher doch eine gewisse eigene Bedeutung trägt und damit nicht nur eine formale Umformung darstellen kann. Der Vorgang der Metapher greift aus dieser Sicht bereits auf der Ebene unseres Denkens, auf der die hinter den Wörtern stehenden Konzepte interagieren und dadurch eine neue Vorstellung herauskristallisieren. Hier wird die Metapher eher als konzeptueller Filter gesehen, mit dem bestimmte Implikationen des Quellkonzepts auf das Zielkonzept übertragen werden, das dann aus einer bestimmten Perspektive gesehen wird, eine bestimmte Strukturfolie übergestülpt bekommt. Die Ähnlichkeit wird hier also nicht vorausgesetzt, sondern erst durch die Metapher herausgearbeitet. Letztere Sichtweise spielt v. a. dort eine Rolle, wo Metapher nicht allein als rhetorisches Sahnehäubchen betrachtet wird, sondern als ein viel grundlegenderer Mechanismus, der uns in vielerlei Hinsicht in unserem Denken und in unserer sprachlichen Formulierung desselben bestimmt. Denn nicht alle Metaphern müssen so hervorstechend und auffällig sein, wie die bisher genannten Beispiele. Bestimmte Übertragungen, die nicht selten auf grundlegenden menschlichen Erfahrungen wie Körperlichkeit oder Räumlichkeit beruhen, treten häufig auf und sind so selbstverständlich, dass wir sie gar nicht mehr als Metaphern wahrnehmen. Z. B. strukturieren räumliche Vorstellungen von oben und unten bestimmte abstraktere Bereiche, wie positive und negative Erfahrungen oder Mengenverhältnisse: So sprechen wir von "Hochgefühl" und "seelischem Tief" (positiv ist oben/hoch, negativ ist unten/tief), von "niedriger Beschäftigung" (wenig ist unten) und "steigender Auflage" von Büchern (mehr ist oben). Zugleich können Metaphern auch nicht nur punktuell in Bezug auf einen einzelnen Begriff wirken, sondern ganze Bereiche strukturieren. Häufig diskutierte Beispiele für derartige konzeptuelle Metaphern sind der Streit, der als Krieg beschrieben wird, oder das Leben, das als Reise gesehen werden kann. So können mehrere Aspekte von Quell- und Zielbereich zur Deckung gebracht werden, und es kann bei der Beschreibung eines Streits u. a. von "Angriff", "Verteidigung eines Arguments" und "Waffenstillstand" die Rede sein. Diese Verschmelzung von Quell- und Zielbereich kann durchaus nicht
nur sprachlich stattfinden. In zahlreichen Plakat- oder Anzeigenwerbungen
werden verschiedene Ebenen bildlich ineinander verflochten, um beim
Betrachter mehr oder weniger unterbewusst bestimmte Assoziationen
wachzurufen. So wirbt derzeit ein Hörbuchhändler mit einer
Anzeige, in der aus zwei Kopfhörern Buchstaben dringen, die sich
in der Mitte treffen und zur Form eines Drachens fügen. Mit diesem
simplen Bild wird suggeriert, wie einerseits Literatur und Geschichten
wie sonst normalerweise Texte in gedruckter Form nun auditiv aufgenommen
werden können. Gleichzeitig spiegelt die Anordnung der Buchstaben
als Drache den Prozess wieder, der sich auf abstrakterer Ebene, nämlich
in unserer Phantasie abspielt: Wenn wir ein Buch lesen - oder eben
hören - bilden sich aus den Wörtern und Sätzen Vorstellungen
und Bilder in unserem Kopf, die das eigentliche Vergnügen am
Lesen bereiten. Zugleich transportiert das Bild des Drachen eine Vorstellung
vom Abenteuer des Lesens oder Hörens von Literatur. Man sieht
also, dass die Verknüpfungen so komplex und vielschichtig werden
können, dass ganze Bereiche verschmelzen. In solchen Fällen
wird vielfach nicht mehr von Metapher gesprochen, sondern von Blending,
also Vermischung, da sich mehrere Bereiche gegenseitig durchdringen
und nicht mehr deutlich voneinander abgegrenzt werden können. bk |