SEPTEMBER
2006

 
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SPRACHE


Das Grimmsche Wörterbuch: Deutsche Sprachgeschichte im Original und digital

Der Januar dieses Jahres förderte einen für Germanisten geradezu sensationellen Fund ans Tageslicht: Ein neuseeländischer Wissenschaftler entdeckte nach langer Suche neun Handexemplare des Grimmschen Wörterbuchs mit noch unerforschten handschriftlichen Notizen der Gebrüder in der Krakauer Jagiellonen-Bibliothek wieder. Dort waren sie nach Kriegsende geblieben und sind erst jetzt wieder aufgetaucht. Zugleich ist das bedeutende Werk seit einiger Zeit aber auch im Internet einem breiten Publikum frei zugänglich oder auf CD-ROM zu kaufen und damit wohl um einiges handhabbarer als die komplette Originalausgabe mit beträchtlichen 84 kg.

Begonnen hatte die Geschichte des Wörterbuchs im Jahr 1838, nachdem Jacob und Wilhelm Grimm wegen Kritik am König von Hannover ihre Stellung als Professoren verloren und ihnen Verleger das Angebot für die Arbeit an einem deutschen Wörterbuch unterbreitet hatten. Zu diesem Zeitpunkt hatten die beiden bereits mehrere Märchensammlungen und zahlreiche wissenschaftlichen Arbeiten zu Themen wie Sprachwandel und Lautwechsel oder slawische Sprachen und Literatur veröffentlicht. Allerdings konnten sie das ehrgeizige Projekt, das eine Sammlung sämtlicher deutscher Wörter und ihrer Bedeutungsgeschichte, belegt mit Zitaten, werden sollte, nicht selbst beenden. Nur bis zum Buchstaben F kamen sie. Erst 1961 wurde eine vollständige Version fertiggestellt, die dann 32 Bände und an die 350.000 Stichworte umfasste und eine wichtige Dokumentation der deutschen Sprache darstellt.

Um dieses umfangreiche Werk leichter handhabbar und erschwinglicher zu machen, unternahm schließlich das Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften der Universität Trier mit Unterstützung der deutschen Forschungsgemeinschaft und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften das Projekt, das Wörterbuch zu digitalisieren. Dabei wurde das gesamte Werk zweimal abgetippt, um die Versionen hinterher automatisch auf Fehler hin vergleichen zu können. Dies wurde von chinesischen Erfassern geleistet, die sich einzig auf die Zeichen konzentrieren konnten ohne etwa durch die muttersprachliche Kompetenz dazu verführt zu werden, unbewusst "Verbesserungen" z. B. an älteren oder ungeläufigeren Wortformen einzufügen.

Aus dieser mühsamen Kleinstarbeit entstand dann der Digitale Grimm, der im Internet unter http://germazope.uni-trier.de/Projects/DWB allgemein zugänglich bzw. im Verlag Zweitausendeins auch auf CD-ROM erschienen ist. Die Internetversion gliedert sich in eine linke Leiste, in der die Buchstaben des Alphabets bzw. Wörter aus der alphabetischen Stichwortliste angewählt werden können, einen mittleren Bereich, in dem der jeweilige Eintrag, das Lemma, mit an die ursprüngliche Typographie angelehntem Schriftsatz, erscheint und eine rechte Spalte, die zusätzlich die Artikelgliederung als Übersicht anzeigt. Außerdem stehen Suchfunktionen wie Stichwort- und Volltextsuche zur Verfügung und die Vorworte der Gebrüder Grimm können eingesehen werden. An einer Bereitstellung eines Quellenverzeichnisses für die jeweiligen Belegzitate wird noch gearbeitet. Ein solches ist aber auf der CD-ROM bereits enthalten. Die Internetversion ist übrigens darüber hinaus deshalb sehr interessant, weil die Seite neben dem Grimmschen Wörterbuch auch auf die Ergebnisse weiterer Digitalisierungsprojekte (z. B. ein Elsässisches Wörterbuch oder verschiedene Wörterbücher zum Mittelhochdeutschen) verweist.

Sogar als Weltdokumentenerbe wurde das Grimmsche Wörterbuch von der UNESCO im Juni 2005 anerkannt. Ein Anlass, sich vielleicht zur Abwechslung nicht nur mit der gerade wieder neu eingeführten Rechtschreibung, sondern auch mit der Geschichte unserer Sprache und Wörter zu beschäftigen. Und was könnte sich da besser eignen als das Grimmsche Wörterbuch.

bk