JUNI
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2003
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Komischer
als die Vopo erlaubt: Sprachblüten aus der DDR
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Bis 1989 gab es den West-Duden und den Ost-Duden. Hat es also nicht nur die deutsche Sprache, sondern zwei deutsche Sprachen gegeben? Nun ja, verstanden haben sich Ossis und Wessis (oder eben Bundis und Zonis, wie es in der DDR hieß) wohl schon. Trotzdem spiegelt ihr unterschiedlicher Sprachgebrauch auch unterschiedliche Lebensgewohnheiten und den unterschiedlichen politischen Hintergrund wider. Auf humoristische und unterhaltsame Weise hat Ernst Röhl die Charakteristika dieser "zweiten Hälfte" der deutschen Sprache unter dem Titel "Vom Broiler zum Spoiler. Sprachblüten aus vier Jahrzehnten DDR" (erhältlich als CD im Eulenspiegelverlag) zusammengetragen. Ernst Röhl, gebürtiger Mecklenburger (1937), arbeitete als Kabarettist - als Mitglied des Leipziger Studentenkabaretts "Rat der Spötter" geriet er mit der Obrigkeit der DDR aneinander und wurde eine Zeit lang inhaftiert - und als Redakteur für die Satirezeitschrift Eulenspiegel. Diese Zeitschrift ist als "Spezialist für Satire und Humor im Osten" übrigens eine der wenigen, die die Wende überlebt haben. Außerdem veröffentlichte er mehrere Bände u.a. mit Kurzgeschichten und Satiren, darunter auch ein deutsch-deutsches satirisches Wörterbuch. Auf der CD "Vom Broiler zum Spoiler" liefert er einen kleinen Überblick über die lustig-verschrobenen und teilweise absurden Eigenarten des Sprachgebrauchs in der DDR. In den ersten zwei Abschnitten bekommt der Hörer einen Eindruck davon, welch betont kämpferische und formelhaft beschwörerische Gestalt die Sprache u.a. in den Medien annahm und wie die Politik die Sprache benutzte, um eine ideale Scheinwelt aufzubauen. So wurde z.B. die Mauer zum "antifaschistischen Schutzwall" beschönigt und der schnöde Museumswärter in den Rang eines "Mitarbeiters für Kunstgutsicherung" erhoben. Gleichzeitig macht Röhl aber auch klar, dass die Sprache der BRD genauso von gezielten Beschönigungen geprägt ist. Im nächsten Teil wird die Sprachthematik etwas ausgeweitet und der politische Witz der DDR vorgestellt, der dem Volk nicht zuletzt zur Ironisierung des Alltags und als Ventil für Unzufriedenheit diente. Nicht fehlen dürfen des weiteren die typischerweise ausrufezeichenlastigen Losungen in ihrer ganzen Bandbreite von ausgefeilten Werbeslogans à la "Jagdwaffen aus Suhl schießen gut, 3000 tote Hasen können ein Lied davon singen" bis zu politischen Reimwerken wie "Wer den Frieden will erhalten, muss kämpfen gegen imperialistische Gewalten". Und auch hier schlägt das Volk zurück. Bei den Massendemonstrationen 1989 bediente es sich ebensolcher Parolen, allerdings in ironischer und staatskritischer Weise. Im letzten Kapitel wendet sich Röhl dem Aspekt zu, wie stark dieses bestimmte Vokabular an den politischen Hintergrund gebunden war. Dies zeigte sich bereits kurz nach dem Fall der Mauer mit dem schnellen Verschwinden der typischen DDR-Ausdrücke. Schnell wurde das zuvor als konterrevolutionär geächtete Vokabular des westlichen Systems und der Marktwirtschaft übernommen. Was hier nur kurz zusammengefasst wurde, schmückt Röhl mit einer amüsanten Vielzahl von Beispielen aus und kommentiert das an sich schon durch die verdrehte Formalisiertheit erheiternde Anschauungsmaterial (z.B. das Fähnchen, das zum Winkelement wird, die Kuh, die als rauhfutterverzehrende Großvieheinheit weidet oder die durch den "Blähungskoeffizient" aufgeblasenen Zitate aus Zeitungen und Reden) mit eigenem Wortwitz und Wortspielen. Ein unterhaltsamer Einblick in die deutsch-deutsche Geschichte aus
sprachlicher Sicht also. Und am besten hört man sich die CD selbst
an und entscheidet dann, welche Abstufung der Skala, mit der die Zeitungen
der DDR den Erfolg der Parteitagsreden bewerteten, man dem ganzen
zubilligt: Beifall, starker Beifall, langanhaltend starker Beifall,
langanhaltend stürmischer Beifall oder doch Beifall mit Hochrufen
und Hurrarufen? bk |