Wie komisch dann erst Redewendungen in fremden Sprachen auf uns wirken, macht sich das Buch „Von nackten Rotkehlchen und furzenden Wölfen“ von Matthias Zimmermann zu Nutze. Die Idee ist simpel: Auf ungefähr 140 Seiten trägt der Autor möglichst kuriose Redewendungen aus 14 europäischen Sprachen zusammen, um sie dem Leser in kurzen, thematisch geordneten Kapiteln zu präsentieren. Der unterhaltsame und komische Effekt, der dabei entsteht, erklärt sich aus dem Gegenstand selbst: Eine Redewendung – auch als Idiom bezeichnet – ist eine besonders stark fixierte Verbindung. Ihre Bedeutung ist nicht – oder nicht mehr – aus der Bedeutung der Einzelbestandteile abzuleiten. Dass die Leber früher Sitz des Gemüts war und man darüber schließlich auf die Leberwurst kam, um dort den Zustand des Beleidigtseins zu verorten, wissen sicherlich nur wenige – darunter vielleicht auch einige geneigte Ceryx-Leser, denn der Begriff wurde wie viele andere Redewendungen und auch der „Frosch im Hals“ in der Rubrik „Was heißt'n das?“ besprochen. Können sich die Sprecher aber diesen Ursprung nicht mehr erklären, so verbleibt eine auf den ersten Blick willkürliche und dadurch zum Teil komisch wirkende Verbindung.
Und solch seltsame Redewendungen gibt es natürlich auch in anderen Sprachen, zumal uns diese oft noch lustiger erscheinen, weil sie uns eben neu und unbekannt sind oder uns manchmal ein Teil des kulturellen Wissens fehlt, das den Ursprung vielleicht erahnen ließe. Das nackte Rotkehlchen stammt übrigens aus Großbritannien (naked as a robin = ‚nackt wie ein Rotkehlchen’), wo der Vergleich laut Zimmermann wahrscheinlich zustande kam, weil die frisch geschlüpften Rotkehlchen eben zunächst nur ein äußerst spärliches Federkleid haben. Es tummelt sich in einem Kapitel mit dem Wurm, der nämlich im Französischen zur Schilderung von Nacktheit herhalten muss (nu comme un ver = ‚nackt wie ein Wurm’). In einem anderen Abschnitt wird man zum Beispiel in Ausdrücke eingeführt, die Überfluss und übermäßigen Reichtum bezeichnen, und erfährt, dass der stinkreiche Italiener, der einfach zu viel Geld hat, seine Weinstöcke mit Würsten festbindet (legare la vigna con le salsicce).
Dies ist insgesamt sehr unterhaltsam, die einzelnen Redewendungen werden in locker geschriebenen, gut lesbaren Texten verpackt präsentiert. Einiges fällt aber störend auf. Während manche zu bemängelnde Punkte bezüglich der Anordnung der Kapitel und etwas verwirrender und unsystematischer Querverweise vielleicht eher Geschmackssache sind, finden sich allerdings auch unsaubere Übersetzungen, die auf einen nachlässigen Umgang mit dem sprachlichen Material hinweisen: mener quelqu’un à la baguette wird als ‚am Baguette führen’ wiedergegeben. Der Autor verkennt damit, dass hier mit baguette sicher nicht das Weißbrot gemeint ist, sondern vielmehr die Bedeutung ‚Stock’ oder ‚Stab’ als Teil einer Uniform und als Autoritätszeichen oder ‚Taktstock’ gemeint ist, nach dem man jemanden tanzen lässt. Auch ist es sicherlich unzutreffend, für das spanische echar alguien con cajas destempladas als Äquivalent im Deutschen ‚mit unbeherrschten Kisten hinauswerfen’ anzugeben. Mit cajas destempladas sind nämlich die verstimmten Trommeln gemeint, unter deren Klängen unehrenhafte Entlassungen beim Militär zelebriert wurden, was auch den Ursprung dieses Ausdrucks für einen Rausschmiss nachvollziehbar werden lässt.
Als Fazit lässt sich also sagen, dass das Buch dem Sprachinteressierten sicherlich die eine oder andere vergnügliche sprachliche Entdeckung bescheren kann, vorausgesetzt man genießt die Details mit etwas Vorsicht.
Matthias Zimmermann, Von nackten Rotkehlchen und furzenden Wölfen, Berlin: be.bra Verlag 2009.
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