APRIL
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2003
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Der Dialang-Test:
Sprachkenntnisdiagnose auf Europäisch
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siehe auch:
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Beginnen wir mit einem kleinen Rechenspiel. Was würde passieren, wenn sich elf EU-Bürger, die jeweils eine Amtssprache sprechen, unterhalten wollten? Man bräuchte 55 Dolmetscher um jede Sprachkombination abzudecken. Kein Wunder, dass die EU in ihrer Verwaltung den größten Übersetzerdienst in der Welt beschäftigt. Und trotz der entstehenden Kosten wäre ein Europa, in dem es nur ein oder zwei Amtssprachen gäbe, nicht unbedingt die bessere Lösung. Es verlöre seine Vielfalt und würde sich mehr und mehr von seinen Bürgern entfernen. Stattdessen muss das Interesse der Bürger an Fremdsprachen geweckt werdem. Deshalb gibt es auch zahlreiche Initiativen, die das Sprachenlernen in Europa fördern sollen. Ein Teil davon ist Dialang, ein neu entwickelter computergestützter Sprachtest, der Sprachlernern helfen soll, die eigenen Fähigkeiten in der Fremdsprache einzuschätzen. Der Test ermöglicht es, mittels der sechs Niveaus des "Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen" des Europarats die eigenen Fertigkeiten zu bewerten und zu erfahren, wie man sich verbessern kann. Die Entwicklung und Erprobung der Software und der einzelnen Tests erfolgt an Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen in 16 europäischen Staaten. Das Programm soll 2003 für die elf EU-Amtssprachen sowie für Irisch, Isländisch und Norwegisch bereitstehen. Die Tests werden wohl noch laufend weiterentwickelt werden. Langfristig ist auch die aufwändige Erweiterung um die Sprachen der neu hinzukommenden EU-Mitglieder denkbar. Bereits jetzt kann eine Vorabversion des kostenlosen Programms für 12 Sprachen unter www.dialang.org aus dem Internet heruntergeladen werden. Allerdings dauert dies mit einem normalen Modem eine ganze Weile und auch während des eigentlichen Testverlaufs muss man mit dem Internet verbunden sein. Dafür bekommt man dann aber einiges geboten: Natürlich kann man die Sprache, in der man die Anweisungen erhalten möchte, frei wählen und kommt dann nach einem Einstufungs- oder Selbsteinschätzungstest zu den eigentlichen Aufgaben in der Fremdsprache. Der Vorteil ist ganz klar: Jeder bekommt Testfragen, die seinem ungefähren Kenntnisstand entsprechen. Und auch während des Ablaufs kann hier noch angepasst werden. Wurde die vorhergegangene Frage falsch beantwortet, dann ist die nächste eine Stufe leichter. Außerdem kann man wählen, ob man seine Wortschatz-, Leseverständnis-, Hörverständnis-, Grammatik- oder Formulierungsfähigkeiten prüfen möchte. Danach erhält man ein Feedback, die Lösungen zu den Übungen und Lerntipps. Alles in allem ist Dialang ein sehr gut aufgebautes, leicht verständliches Programm. Nicht Zertifizieren, sondern Diagnostizieren der Sprachkenntnisse ist dabei Ziel des Ganzen. Dialang wurde auch daraufhin konzipiert, dass der außerschulische Spracherwerb immer wichtiger werden wird. Schon jetzt haben Sprachkurse im Ausland, Sprachschulen und Intensivkurse regen Zulauf. Mit dem einheitlichen Referenzrahmen des Europarats und einem ausgefeilten Einstufungssystem wie Dialang soll es viel einfacher werden, Kursteilnehmer mit unterschiedlichem Vorwissen einzuteilen oder Sprachkurse modulweise kompatibel zu halten. Also nichts wie ran an den Computer und die eigenen Fremdsprachenkenntnisse testen...und das Ergebnis dann als Ansporn zum Weiterlernen betrachten. Denn Weiterlernen sollten wir auf dem Weg in die EU. In Europa sind die verschiedenen Sprachen keineswegs nur ein Verständigungsproblem, dem wir einmal im Jahr im Urlaub begegnen könnten. Im Gegenteil, es berührt die Grundfesten eines gemeinsamen Europas. Gibt es denn eine europäische Öffentlichkeit, wenn wir uns nicht einmal einigermaßen untereinander verständigen können? Und kann es ohne europäische Öffentlichkeit überhaupt eine gemeinsame von allen getragene europäische Verfassung, wie sie gerade auf dem Verfassungskonvent ausgearbeitet werden soll, geben? Für das Zusammenwachsen Europas ist es unerlässlich, dass die EU-Bürger Sprachen lernen. Natürlich wird nicht jeder jede Amtssprache beherrschen, aber vielleicht ein oder zwei, womit schon viel gewonnen wäre. Die Vielzahl von Sprachen in Europa ist eine Herausforderung und eine Chance zugleich. Jede neue Sprache erlaubt einem, neue Gedankenwelten kennenzulernen und ein bisschen an einer anderen Kultur teilzuhaben. Genau das ist nötig, für ein gemeinsames Europa. Je mehr wir uns gegenseitig öffnen, desto enger können wir zusammenwachsen und uns als Europäer fühlen, ohne die eigene Identität zu verlieren. bk |