AUGUST
2005

 
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MUSIK



Kleine Hymne auf die Blockflöte



"Die Blockflöte ist eines der beliebtesten Musikinstrumente, klein (?) und billig (??) und sooo leicht zu lernen (???)." Es überrascht immer wieder, dass in einem relativ kurzen Satz drei so schwerwiegende Falsch-Aussagen vorhanden sein können.

Zum einen ist die "kleine" Blockflöte (meist ist hier der Sopran, die "Schulblockflöte" gemeint, obwohl es auch noch kleinere gibt) nur eine Vertreterin einer ganzen Instrumentenfamilie, deren größtes Familienmitglied immerhin 2,50 Meter (und bei Spezialanfertigung sogar noch mehr) misst, nämlich die mächtige, tief-sonore Kontrabass-Blockflöte.

Die "üblichen" Instrumente, die das sogenannte Blockflöten-Quartett bilden, reichen allerdings meist von der Sopran-Blockflöte über die Alt- und Tenor-Blockflöte bis zur Bass-Bockflöte, wobei letztere knapp einen Meter groß ist.

"Billig" sind in der Regel nur die Soprane, und auch nur diejenigen, die aus einfachem Holz oder Kunststoff hergestellt werden. Auch in diesem Bereich gibt es Instrumente, die leicht die 200- oder 300-Euro-Grenze überschreiten. Ja, handgearbeitete Instrumente kosten gut und gerne das Drei-, Vier- oder gar Fünffache, und gehen somit schnell in den vielstelligen Euro-Bereich, von den Altos, den Tenören oder den Bässen gar nicht zu reden. Ein guter Bass in Buchsbaum oder Palisanderholz schafft es durchaus in einen preislichen Bereich, den ein gutes gebrauchtes Klavier auch streift.

Allerdings gibt es seit einiger Zeit auch hervorragende Instrumente aus Kunststoff, die zwischen 10 Euro (Sopran) und 300 Euro (Bass) kosten und laut diversen Tests hervorragende Instrumente sind, die nur von sehr guten Blockflöten aus Holz übertroffen werden. Ich spiele sowohl eine hölzerne als auch eine solche Kunststoff-Bass-Blockflöte.

Und zum Thema "sooo leicht zu lernen" - das stimmt. Wenn auch mit der klitzekleinen Einschränkung: Wenn man sich mit ein paar Volksliedern, Weihnachtsliedern und vielleicht dem einen oder anderen Kirchenlied in C-Dur, bestenfalls G-Dur oder F-Dur zufrieden gibt. Dann (und nur dann) kann man schon recht bald den einen oder anderen Fortschritt machen. Spätestens aber, wenn es etwas anspruchsvoller wird, z.B. in den Tonarten mit 2 oder gar mehr Vorzeichen (# oder b), wird die Sache ausgesprochen heikel, denn die Gabelgriffe zum Spiel dieser Noten sind "vom Feinsten". Dann ist die Blockflöte sogar ein ausgesprochen schwer zu spielendes Instrument, weil diese Gabelgriffe oft keinerlei einsichtiger Logik folgen. Bei einer Klaviatur genügt es oft, statt der weißen, die darüber oder darunter liegende schwarze Tasse zu drücken, und schon hat man sein fis oder b oder es. Bei der Blockflöte ist das nicht möglich. Man muss vielmehr einen Griff verwenden, der oft mit der Stammnote kaum noch etwas gemeinsam hat. Diese Griffe nicht nur im Gedächtnis zu verankern, sondern auch schnell und geschickt und vor allem sauber spielen zu können, bedarf viel Finger- und Atemübungen. Insbesondere der tiefe und der sehr hohe Bereich der durchschnittlich zwei spielbaren Oktaven einer Blockflöte muss dem Instrument regelrecht abgerungen werden, wenn es sauber klingen soll.

Um die Blockflöte zu erlernen, braucht man also mindestens ebenso viel Begabung, Fleiß, Können, Wissen und Musikalität wie bei jedem anderen Instrument, nicht weniger, im Prinzip auch nicht mehr.

Die Blockflöte hat eine sehr lange Geschichte. Anfangs, in nahezu vorhistorischen Zeiten, war sie nichts anderes als ein einfaches Holzrohr, mit 2-5 Löchern, in welches man oben hineinblies. Aber im Laufe der Zeit erhielt sie ihre Form, die im Prinzip seit dem 16. Jahrhundert gleich geblieben ist. Im 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war sie ein weit verbreitetes Instrument, auch in der künstlerischen Musik. Berühmte Komponisten wie Händel und Bach schrieben für sie, und viele andere Groß- und Kleinmeister des Barock. Aber mit dem Aufkommen der Querflöte wurde die eher zart klingende Blockflöte mehr und mehr verdrängt, und seit dem Ende des 18. Jahrhunderts war sie für über 100 Jahre aus der Kunstmusik verschwunden.

Der Einsatzbereich der Blockflöte ist heute viel weitgefächerter als noch vor 100 Jahren. Nach der bereits oben erwähnten mehr als 100jährigen musikgeschichtlichen "Pause" trat das Instrument zu Beginn des 20. Jahrhunderts wieder auf die musikalische Bühne und eroberte die Wandervogelbewegung, die Volks- und die Schulmusik. Und seit Ende der 20 Jahre des 20. Jahrhunderts, als Hindemith sein berühmtes Trio für Blockflöten schrieb, wurde es dann auch zunehmend ernst genommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich schließlich neben den obligatorischen Blockflötenunterrichtseinheiten an Volks- bzw. Grundschulen auch wieder eine ernsthafte und ernst zu nehmende Tradition, von der zahllose anspruchsvolle Avantgarde-Musiken zeitgenössischer Komponisten zeugen (auch wenn Adorno sich stets höhnisch über unser Instrument äußerte, was aber angesichts der heutigen Situation mehr über Adornos Arroganz und weniger über die Qualitäten der Blockflöte aussagt).

Mittlerweile ist die Blockflöte sogar in der sogenannten Improvisierten Musik und im Jazz angekommen. Die Kölner Jazzerin Nadja Schubert z.B., das Quartett Chalilio und der Komponist und Blockflötist Pete Rose sind zwar noch (!) Ausnahmeerscheinungen, aber die anspruchsvolle Jazzmusik wird sicher mehr und mehr auf dieses Instrument zurückgreifen, besonders auf die "tiefen" Instrumente, vor allem Tenor und Bass.

Ich selbst spiele Tenor-Blockflöte und seit neuestem auch und vor allem den Bass. Zwar haben beide Instrumente für mich ihre Bedeutung, aber für freie Improvisationen nutze ich doch mehr und mehr und vorwiegend das Bass-Instrument, das meiner Meinung jazziger, aber auch melancholischer klingt. Der Bass hat einen klingenden Umfang von f bis ca. f'', und einen im Bass-Schlüssel notierten Umfang von F bis f'. Ein Klappensystem von meistens 3 Klappen (zwei Einfachklappen für das dritte, c, und vierte Loch, h, sowie eine Doppelklappe für das siebte, untere Loch, f/fis) erleichtert das Spiel enorm, weil dadurch extreme Fingerspreizungen vermieden werden.

An Hör-Empfehlungen ist zum einen die CD "wooden flutes" der Gruppe Chalilio zu nennen. Sie enthält Traditionelles und Modernes, ja, Jazziges, wobei die Adaptionen von Friedrich Guldas Klavierzyklus "Play, Piano, Play" hervorzuheben sind, die von je einer der vier Musikerinnen arrangiert worden sind. Den Höhepunkt bildet dann das letzte Stück auf der CD, der mittlerweile fast zu einem Jazz-Standard gewordene "Tall P." von Pete Ross, dem Vorkämpfer und Kämpfer für Jazzmusik auf der Blockflöte, mit wunderbar-sanft tönender Bass-Blockflöte.

Zum zweiten sollten die CDs von Nadja Schubert genannt werden, die besonders im Duo mit dem Kontrabassisten Sascha Delbrouck regelrecht zu Höchstleistungen aufschwingt (erhältlich bei Mr.D.Music, 51105 Köln).

Und zum dritten ist das Trio Wildes Holz zu empfehlen, das mit Blockflöte, Gitarre und Kontrabasss schönen Mainstream-Jazz, bis hin zu leicht Bebopigem, und einfach nur fetzig-schöne Musik macht.

pb