APRIL
2002

 
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MEDIEN


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Berlin, Berlin
Dienstag bis Freitag 18h50
ARD

 






 

Carlotta, genannt Lolle, ist eine junge Dame aus wohlsituierten Verhältnissen. Ihr Vater ist Arzt, ihre Mutter Journalistin. Das Abitur in der Tasche, hat sie es eilig, die beschauliche, schleswig-holsteinische Kleinstadt Malente zu verlassen, doch wie so viele hat sie keine Idee, was sie mit der neu gewonnen Freiheit anfangen soll. Ihr Freund Tom bekommt einen Ferienjob in Berlin und Lolle würde am liebsten mit ihm gehen. Ihre resolute Mutter arrangiert aber statt dessen ein Praktikum bei der Lokalzeitung für sie. Lolle, die eigentlich nur Comics zeichnen möchte, langweilt sich und als Tom per Brief mit ihr Schluß macht, reist sie Hals über Kopf nach Berlin ab.

In Berlin findet sie Tom in den Armen einer anderen. Mit fiesen Tricks gelingt es ihr, Tom und seine neue Freundin auseinander zu bringen. Sie bemerkt aber, daß Tom nicht ist, was sie will. Der abgestrafte Ex-Freund kehrt reumütig nach Malente zurück, während Lolle sich in die Abenteuer der Großstadt stürzt. Unterschlupf findet sie bei ihrem Cousin Sven - der in einer schicken, riesengroßen Altbauwohnung lebt, praktischerweise mit vielen leerstehenden Zimmern, da seine Frau gerade mit dem gemeinsamen Sohn ausgezogen ist. Lolles Zufallsbekanntschaft, die ruppige lesbische Schauspielerin Rosalie, wird auch noch in die improvisierte WG aufgenommen - fertig ist die Berliner Mischung.

Lolles strenge Mutter weigert sich, ihr das Nichtstun zu finanzieren und erwartet, daß sie arbeitet. Da mit Zeichnen kein Geld zu verdienen ist, fängt sie als Kellnerin und Küchenhilfe in einem vietnamesischen Imbiss an und wechselt dann in das koschere Restaurant „Jaffa“, wo sie sich prompt in ihren Chef Moshe verliebt. Moshe ist aber mit Sarah verheiratet - und Lolle folglich in einer emotionalen Krise.

Daß die beiden jüdischen Figuren in der Serie ausgerechnet Moshe und Sarah heißen müssen und Moshe natürlich ein ernster, dunkler Mann mit großer Nase ist, enthüllt jene Intoleranz und absolute Phantasielosigkeit, die vielleicht nicht typisch deutsch ist, aber in Deutschland besonders häufig vorkommt. Die Drehbuchautoren hätten genauso gut zwei bayrische Figuren namens Seppl und Deppl einführen können. „Berlin, Berlin“ arbeitet mit Klischees - kumuliert sie. Lolle trifft in jeder Folge mehr bekiffte Taxifahrer, Skinheads, Tunten und mürrische Berliner Originale als in der ganzen Stadt zu finden sind. Die Figuren sind ausnahmslos typisiert und stark überzeichnet. Lolle sieht aus wie das Urbild des Berliner Girlies - hennarotes Haar, Pferdeschwanz, Mikropony, modisch-salopp gekleidet - und wird zu dem stilisiert, was man in Berlin „een duftet Medchen“ nennt. So sehen wir ihr zu, wie sie impulsiv herumschreit, spontan in die Spree springt, liebreizend nach ihrem „Traumprinzen“ schmachtet, mit den Augen rollt und sich mit Schokolade stopft,... - und irgendwie ist das ziemlich langweilig.

Unangenehm fallen auch die irritierenden Zeitsprünge und die Detailungenauigkeit auf. So kommt Lolle beispielsweise mit nur einer Reisetasche nach Berlin. Danach sieht man sie nie wieder mit Koffern, Taschen oder Umzugskisten. In ihrem WG-Zimmer herrscht aber eine Unordnung, deren Ursprung wohl kaum der Inhalt einer einzigen Reisetasche sein kann. In einer höchst albernen Episode bekommt Rosalie eine kleine Rolle in dem neuen Sandra-Bullock-Film, der in Berlin gedreht wird. Rosalie versucht zu beweisen, daß auch Sandara Bullock Orangenhaut hat. Es ist verständlich, daß die echte Sandra Bullock nicht für einen Gastauftritt zu gewinnen war, da es ständig um ihre körperlichen Mängel und ihre Talentlosigkeit geht. Statt dessen wurde ein Double engagiert, das immer nur von hinten zu sehen ist und abwechselnd Englisch und Deutsch mit starkem amerikanischen Akzent spricht. - Dabei ist allgemein bekannt, daß Sandra Bullock, deren Mutter Deutsche ist, fließend Deutsch spricht - mit starkem Nürnberger Akzent.

Die einzigen originellen Elemente der Serie sind die Comicsequenzen, mit denen Lolles Gefühlsleben dargestellt wird. Allerdings hat man ähnliche Animationen schon besser in „Ally McBeal“ und „Die fabelhafte Welt der Amélie“ gesehen.

Leider wurden in „Berlin, Berlin“ einige gute Ansätze und das schauspielerische Potential der Darsteller verschwendet. Eine Serie über den Massenexodus der gelangweilten Provinzjugend nach Berlin wäre durchaus interessant gewesen. Eine Analyse des gesellschaftlichen Phänomens der „Generation Berlin“ - ein Psychogramm der jungen Leute, die mit vagen künstlerischen Ambitionen, unklaren Vorstellungen und großen Illusionen in die Hauptstadt kommen - eine Erklärung, warum Berlin München, Hamburg und die hübschen Universitätsstädte in der Beliebtheitsskala längst verdrängt hat, vermag die Serie nicht zu liefern.

vh