Esben Benestad lebt als Arzt im kleinen norwegischen Grimstad, ist
verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und ist 52 Jahre alt. Er ist
ein nachdenklicher Mann, der wenig Wert auf Äußeres legt.
Sein Sohn Even ist Filmemacher und präsentierte seinen ersten
Film kürzlich in der Sektion Panorama auf den Berliner Filmfestspielen.
Esther Pirelli ist eine flotte Frau, die auch in Grimstad lebt. Auch
sie hat zwei Kinder und ist verheiratet. Im Gegensatz zu Esben Benestad
legt sie sehr viel Wert auf ihre äußere, damenhafte Erscheinung.
Der Filmemacher Even Benestad ist auch ihr Sohn und das ist
der Konflikt, um den sich dieser norwegische Dokumentarfilm dreht:
Esben Benestad und Esther Pirelli sind eine Person. Schon von früher
Jugend an merkte Esben Benestad seinen ausgeprägten Wunsch, in
Frauenkleider zu schlüpfen. Seine erste Ehe, aus der beide Kinder
stammen, zerbricht schmerzlich an seinem zunehmenden Hang zur Travestie.
In den Interviews werden die Schwierigkeiten der ersten Ehefrau und
der Tochter deutlich, mit dieser Neigung umzugehen. Auch Even Benestad
tut sich schwer, seinen Vater in beiden Rollen zu akzeptieren. Doch
Esben/Esther möchte auch in seiner Doppelrolle gern der sein,
der er ist, eine Frau, in einem Männerkörper, der gleichzeitig
Vater und Ehemann bleiben will. Er empfindet sich als bi-gender, zweigeschlechtlich.
Seine zweite Frau Elsa, eine Psychologin, kann mit dieser Ambiguität
weitaus besser umgehen und besticht in dem Film mit ihren klaren Aussagen.
Doch auch sie sieht die Gefahr, dass Esther über Esben Überhand
gewinnt und sie die geliebten männlichen Anteile von Esben zunehmend
missen muss.
Als Even Benestad 18 Jahre alt war, hat er seinen Vater gebeten, mit
einem Dokumentarfilm über seine Lebenssituation zu warten. Nun
8 Jahre später ist es soweit. Dem jungen norwegischen
Filmemacher ist ein intensives Werk gelungen, dass durch seine subjektive
Nähe zur zentralen (Vater-)Figur besticht. Alte Familienaufnahmen
werden mit Interview-Szenen von Vater, Mutter, Tochter, zweiter Frau
und dem Sohn gemischt. Der Film führt uns die zunehmende Entfaltung
Esther Pirellis im Zuge ihres wachsenden Selbstbewusstseins darüber
vor Augen. Esben/Esther glaubt an seine/ihre Mission aufzuzeigen,
dass es solche gemischten Identitäten gibt. Elsa unterstützt
ihn bei dieser Öffentlichkeitsarbeit. So traten Esben/Estther,
Elsa und Even Benestad mit ihrem Produzenten auch auf der Berlinale
auf und standen dem Publikum Rede und Antwort. Esben /Esther bezeichnete
das Werk seines/ihres Sohnes als teure, öffentliche gemachte
Familientherapie, die den Sohn und ihn/sie einander näher gebracht
haben.
Es freute mich persönlich sehr, auf der Teddygala am 16.Februar,
der Verleihung des schwul-lesbischen Filmpreises der Berliner Filmfestspiele
zu erleben, dass All About My Father als bester Dokumentarfilm
ausgezeichnet wurde. Die Berlinale machte sich schon seit Jahren um
schwul/lesbische Filme verdient. Dieser Schwerpunkt erweitert sich
nun zu Queer-Filmen, darunter sind Filme unterschiedlichster
Geschlechter-Identitäten zu verstehen. Mit dem Teddy als bester
Dokumentarfilm kommt All About My Father vielleicht auch in
die Kinos wünschenswert ist das.
Infos über den Film gibt es im Internet unter www.allaboutmyfather.com.
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