JANUAR
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2004
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Von Schwarzfahrern
und Schwarzkontrolleuren: "Schwarzfahrer" von Michael-André
Werner
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Michael André Werner M.-A.
Werner im Interview |
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Fahrscheine bitte! Auf diese "magische Formel" hin zückt wohl jeder fast automatisch den brav gestempelten Fahrausweis, die Monatskarte, den Seniorenpass, bzw. - wenn man über solches nicht verfügt - zahlt man nach vergeblichen Ausreden knurrend die Strafe. Genau auf die Wirkung dieses "Zauberspruchs" bauen Zabel, Knork und Doberstein ihren faulen Zauber. Sie sind nämlich keine echten Kontrolleure, sondern nur darauf aus, das erhöhte Beförderungsentgelt, wie es im Fachjargon heißt, von den überrumpelten Schwarzfahrern zu kassieren. Aus dieser originellen Sichtweise der drei Möchtegern-Schaffner erzählt Michael-André Werner in seinem kürzlich im Aufbau Taschenbuch Verlag erschienenen Roman "Schwarzfahrer".
Mehr oder weniger zufällig tun sich die drei verkrachten Existenzen zu Beginn der Geschichte zusammen, um ihr ansonsten erbetteltes, erschnorrtes und teilweise erjobbtes Einkommen durch ihre privaten Kontrollstreifzüge aufzubessern. Dabei scheuen sie, die durch ihre clevere Idee den Leser vielleicht zunächst auf ihrer Seite haben, nicht davor zurück, Ihresgleichen und weitaus Ärmere "abzuzocken". So werden unter dem Deckmantel der Autorität schon mal gültige Auftrittserlaubnisse für Strassenmusikanten in den U-Bahnhöfen als abgelaufen erklärt und samt Tageseinnahmen eingezogen, eine Oma beklaut und ein Straßenzeitungsverkäufer verjagt. Sympathisch sind die Protagonisten also die längste Zeit gewesen. Die ganze Handlung über bleiben dabei ihre Erlebnisse relativ alltäglich und somit auch realistisch, worauf es dem Autor wohl auch ankommt, spricht er doch in einem Interview mit der ätzettera (Nr.38/November 2003) davon, "einen Ausschnitt aus dem Leben" schildern zu wollen. Dies ist sicherlich gelungen, an mancher Stelle vielleicht sogar zu gut. Von einigen Details, wie z.B., dass Kork, der Ich-Erzähler, morgens schlaftrunken nur Karo-Kaffee zu sich zu nehmen pflegt, weil sich in seinem Haushalt nichts anderes Genießbares findet, kann sich der Leser etwas zu oft überzeugen. Die Alltäglichkeit der Handlung bringt mit sich, dass manche Episoden auf seltsame Weise ins Leere zu laufen scheinen: Aufkommende Spannung in sich als brenzlig ankündigenden Situationen klingt relativ schnell wieder ab, eine beginnende Liebesgeschichte verläuft ohne viel Aufhebens im Sande, und schließlich löst sich das Gaunertrio ohne eigentlichen Anlass nach und nach wieder auf. Mit Werners Worten: "Dem Erzähler passiert etwas, er rutscht da rein, das geht ein paar Monate gut, und dann hört's wieder auf". Diese Ziellosigkeit und Gleichmütigkeit, mit der sich die "Helden" der Geschichte von den Ereignissen treiben lassen, spiegelt sich auch in dem immer wieder auftauchenden Lieblingsspruch des Ich-Erzählers wider, mit dem er die Geschehnisse kommentiert: "Soll sein, soll sein". Und dennoch fühlt man sich als Leser gut unterhalten, nicht
zuletzt durch die lockere, flapsige Sprache. Einen besonderen Reiz
hat dieses Großstadtbuch vielleicht besonders für alle
diejenigen, die Berlin und v.a. seine U-Bahnhöfe als Hauptschauplätze
- mit deren Namen der Roman gerne kokettiert - kennen. Beim Aufschlagen
des Buchs wird einem aber auf alle Fälle die typische U-Bahnatmospähre
- welcher Großstadt auch immer - präsent sein und der
Luftzug des nächsten einfahrenden Zuges um die Nase wehen. bk
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