APRIL
2002

 
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LITERATUR


Proulx: "Schiffsmeldungen"
E. Annie Proulx
"Schiffsmeldungen"
Fischer

Quoyle ist ein Verlierer-Typ. Er sieht nicht besonders gut aus, ist zu dick, schon als Kind wird der Bruder immer vorgezogen. Quoyle scheint das alles als schicksalsgegeben hinzunehmen und so lebt er sein unspektakuläres Leben in den USA. Bis er Petal kennenlernt, die ihn im Handumdrehen verführt. Und ihn sogar heiratet. Petal ist für Quoyle die Liebe seines Lebens, für sie tut er alles. Sie dagegen nutzt Quoyle nur aus, lässt ihn die beiden gemeinsamen Kinder versorgen und zieht mit ihren Liebhabern um die Häuser. Bis sie bei einem Unfall ums Leben kommt. Quoyles etwas exzentrische Tante taucht auf und überredet ihn, mit ihr und den Kindern ins Land ihrer Vorfahren, nach Neufundland, umzuziehen.

Dort besitzen sie noch ein altes, seit Jahrzehnten leerstehendes Haus auf den Klippen. Sie setzen es instand und ziehen ein. Quoyle, der sich schon in den USA als kleiner Reporter durchgeschlagen hat, bekommt einen Job bei dem Lokalblättchen "Gammy Bird". Er soll die Schiffsmeldungen schreiben - also Berichte über die ein- und auslaufenden Schiffe.

Proulx beschreibt das erste Jahr, das die Quoyles an der neufundländischen Küste leben. Es passiert nicht wirklich Spektakuläres in dieser Zeit. Quoyle lebt sich langsam ein und findet am Ende sogar richtig Gefallen am Leben. Er hat den richtigen Ort für sich gefunden.

Das mag an der besonderen Art der Neufundländer liegen, die Annie Proulx in diesem Roman so schön beschreibt. Dieser Menschenschlag, der sich seit Generationen in karger Landschaft "durchschlagen" muss. Der sich gegenseitig und die Widrigkeiten der Natur akzeptiert.

Mit "Schiffsmeldungen" hat Annie Proulx eine Liebeserklärung an Neufundland und ihre Menschen geschrieben. Die Geschichte der Quoyles ist deshalb auch nur eine Geschichte in dem Roman. Es wimmelt von kleinen Anekdoten und Geschichten. Zum Beispiel von Jack Buggit, der das Meer und die Fischerei liebt. Und sogar weiterliebt, als sein ältester Sohn beim Fischen ertrinkt. Oder Billy Pretty. Der als Waisenjunge von England nach Kanada verschifft werden sollte und, nachdem das Schiff in Seenot gerät, vor der neufundländischen Küste herausgefischt wird und dort bleibt.

E. Annie Proulx wurde 1935 in Connecticut geboren, wo die Familie der Mutter (Engländer) seit 350 Jahren sesshaft ist. Der Vater stammt von Frankokanadiern ab. E. Annie Proulx lebte mehr als 30 Jahre in Vermont, war dreimal verheiratet, hat drei Söhne und eine Tochter. !995 zog sie nach Wyoming, wo sie alle ihre Romane geschrieben hat. Für "Schiffmeldungen" hat sie unter anderem 1994 den Pulitzer-Preis erhalten.

Der Roman wurde jetzt auch von Lasse Hallström (Chocolat, Gilbert Grape, Gottes Werk und Teufels Beitrag) verfilmt, er ist seit Ende März in den Kinos. Darsteller sind Kevin Spacey als Quoyle, (in jedem Fall besser aussehend als seine literarische Vorlage), Judy Dench als Tante, sowie Julianne Moore und Cate Blanchett.

sf