DEZEMBER
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2003
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Hörspiel-Krimis
im Duell: Henning Mankells "Vor dem Frost" vs. Donna Leons
"Nobiltà"
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Henning Mankell |
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Donna Leon "Nobiltà. Commissario Brunettis siebter Fall" Hörspiel auf CD, ca. 63 min. Bearbeitung: Daniel Grünberg SWR/DeutschlandRadio 2000 erschienen im Hörverlag 10 Euro |
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Krimis scheinen sich besonders als Hörvergnügen zu eignen: Sie sind vergleichsweise leichte Kost, sie beinhalten viele Dialoge und sind im besten Fall spannend. CERYX hat sich zwei Hörspiel-Krimis angehört, der eine aus dem hohen Norden, der andere aus dem warmen Süden, die aus der Feder von zwei der derzeit beliebtesten Krimi-Autoren stammen: Donna Leon und Henning Mankell. In Brunettis siebtem Fall wird der Commissario mit einer verwesten Leiche konfrontiert, die als der vor Jahren entführte Sohn einer venezianischen Adelsfamilie identifiziert wird. Schnell wird deutlich, dass mit der Entführung etwas nicht stimmt und die Familie selbst in den Fall verstrickt ist... Mankells Krimi beginnt da unkonventioneller. Sechs brennende Schwäne fliegen über den Marebo-See, kurz darauf geht ein Jungbulle in Flammen auf. Mittelpunkt der Geschichte ist diesmal Linda Wallander, die Tochter von Kommissar Kurt Wallander, die selbst in den Fall verstrickt wird, als ihre Freundin Anna spurlos verschwindet... Die Unterschiede werden schnell deutlich. Donna Leons "Nobiltà" ist ein konventionell gestrickter Krimi, der weder besonders originell noch besonders spannend ist. Mankells "Vor dem Frost" überzeugt hingegen nicht nur mit einer überraschenderen und tiefgründigeren Geschichte, sondern auch mit weit ausgefalleneren Dialogen. Grandios zeichnet Mankell das Tochter-Vater-Verhältnis, das nicht nach den üblichen Klischees abläuft, sondern von einer beispiellosen Zickigkeit geprägt ist: Der Vater bekommt Tobsuchtanfälle, die Tochter hat keinen Respekt: "Weißt du eigentlich, dass du schwillst?" schleudert sie ihrem Vater ins Gesicht: "Du wirst zu fett!" Hier hat die Hörspielversion noch einiges an Schärfe hinzugefügt: Selbst an sich neutrale Aussagen werden von den Sprechern (Ulrike C. Tscharre als Linda, Axel Milberg als Kurt Wallander) mit einer aggressiven Heftigkeit belegt, die das Ganze sehr lebendig machen. Insgesamt ist also nicht nur Mankells Geschichte der von Leon überlegen, sondern auch die Umsetzung des Hörspiels ist besser gelungen. Die Sprecher legen sich bei "Vor dem Frost" mehr ins Zeug, wirken natürlicher, und auch das Hörspiel als Ganzes ist sorgfältiger inszeniert: ein perfektes Hörvergnügen für einen kalten Winterabend. aw |