JUNI
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2007
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Christian
Jacq, "Der lange Weg nach Ägypten"
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Christian
Jacq |
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Jean-Jacques
Champollion dürfte vielen ein Begriff sein. Ganz im Stil eines
Karl-May-Romans, wenn auch bei weitem nicht so selbstbewußt und
draufgängerisch, gibt es die Geschichte um die Expedition in den
Jahren 1828 und 1829 schon seit einiger Zeit als Buch.
Das Buch nimmt man schon gerne in die Hand: Vor einem tiefblauen Hintergrund scheinen die Zeilen des Steines von Rosetta leuchtend weiß durch, und darüber prangt der Titel in einer goldenen Kartusche. Schlägt man es auf, beschreibt der Ich-Erzähler Champollion nach einer kurzen einleitenden Episode - er liegt auf dem Sterbebett und begründet gegenüber seiner Tochter Zoraïde seine Liebe zu Ägypten - die Erfahrungen, die er im Zusammenhang mit der von ihm geleiteten französisch-toskanischen Expedition gemacht hat.1) Der Erlebnisbericht über die unruhige politische Lage und die zwischenmenschlichen Animositäten der Expeditionsteilnehmer wechselt sich ab mit kompakten, sehr interessanten Einwürfen über die entdeckten Altertümer. Beides läßt sich nur in dieser Verflechtung zufriedenstellend wiedergeben, da zu dieser Zeit die antiken Tempel häufig als Steinbrüche dienten.2) Daneben kommt auch die Rahmengeschichte nicht zu kurz. Champollion hat von Anfang an alle Hände voll zu tun, um die Expedition überhaupt durchzusetzen - insbesondere auch gegen den Widerstand der Kirche, welche durch die Erforschung antiker Altertümer manch unangenehme Wahrheit über die eigene Geschichte befürchtet. Der eigens zur Begleitung des Entdeckers ausgesandte Priester gibt sich denn auch als eifrige Anstandsdame in Glaubensfragen, was bisweilen grotesk-komische Züge annimmt. Die Rolle der anderen Begleiter wird nie wirklich zufriedenstellend geklärt, da sich aus der Sicht des Ich-Erzählers je nach Sachlage natürlich auch die Sympathien und das Vertrauen verändern (wenn auch eher gering, aber immerhin). Eine angenehme Konstante ist der - allerdings manchmal überkorrekte - ägyptische Diener, der kraft seiner Eigenschaft als Bündnisbruder einer Geheimloge, der auch Champollion angehört, eher ein Freund und Beschützer ist. Ansonsten fallen diese Schwankungen eigentlich nicht ins Gewicht, sondern sind vielmehr notwendig, um der Geschichte Authentizität zu verleihen. Schade ist nur, daß die schöne und mysteriöse Engländerin Lady Redgrave, die die Expedition begleitet und ihrem Leiter ständig Avancen macht, gegen Ende recht plötzlich aus der Erzählung verschwindet und einige Fragen offenbleiben; durch die Endgültigkeit des Abschieds kann hier auch nur noch eine "Was wäre gewesen, wenn"-Phantasie helfen, ein selbständiges Ausfüllen der Geschichte wird dem Leser so leider etwas verbaut. Es handelt sich insgesamt auch nicht um den exotischen Eroberungsbericht eines draufgängerischen Über-Europäers, wie Karl May ihn gerne verfaßte. Jacq, und damit auch sein Ich-Erzähler Champollion, nähert sich der Geschichte und dem fremden Land sehr viel behutsamer und auf andere Weise liebevoller an. Exotisch ist das allerdings, aber kein bißchen langweilig. Durch die Verflechtung der eigentlichen Expeditionserlebnisse mit der gefährlichen politischen Situation gerät das Ganze schon fast eher zu einem Agenten-Thriller. Allerdings im 19. Jahrhundert, in einer dünn besiedelten und auch damals schon unterentwickelten Gegend. Von den überragenden Leistungen der Antike sind nur noch die Ruinen geblieben, und um deren Erforschung geht es in diesem Buch. Die Expedition fand tatsächlich statt; die begleitenden Charaktere
scheinen aber erfunden zu sein, zumindest fanden sich bei einer -
zugegeben kurzen - Recherche keine zufriedenstellenden Hinweise auf
ihre Existenz. Der Geschichte macht das aber nichts aus. mp 1)
Einen einheitlichen italienischen Nationalstaat gab es zu dieser Zeit
ebenso wenig wie einen deutschen. |