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LITERATUR


Robert Gernhardt: Preistr�ger in der Kategorie "Reif und Bekloppt"
Robert Gernhardt
*1937 Rival, Estland
 
 

Sonette find ich sowas von beschissen,
so eng, rigide, irgendwie nicht gut

Soweit die ersten zwei Zeilen des Gedichts "Materialien zu einer Kritik der bekanntesten Gedichtform italienischen Ursprungs", welches, so sei hier angemerkt, nat�rlich als formvollendetes Sonett abgefa�t ist und dennoch in den vorgeschriebenen weiteren zw�lf Zeilen nicht gerade zimperlich �ber besagte Gedichtform und ihre Autoren herzieht.

Und das ist bezeichnend f�r den Verfasser, der selbst feststellt: "Ich brauchte die Regel, solange ich eindeutig auf Komik oder Nonsens aus war - Komik lebt von der Regelverletzung, und Nonsens ist [...] konsequent, also regelm��ig verweigerter Sinn -, und ich liebe die Regel nach wie vor, weil sie beides ist, Widerstand und Wegweiser: Da geht's lang, nicht aufgeben, hier mu�t du durch".

Dreimal darf geraten werden, wer dieser Dichter ist:

"Mmh, ja, Goethe is es wohl nich, oder?" wird man sich denken.

Soweit schon mal richtig. Und als Trostpreis wird's aufgel�st: mit G f�ngt der Name zwar auch an, aber es handelt sich um Robert Gernhardt.

Geboren wurde er 1937 in Rival in Estland. Nach der �bersiedelung nach Posen und Flucht mit seiner Mutter und seinen zwei Br�dern im 2. Weltkrieg lebte die Familie in G�ttingen. Auf die Schulausbildung folgte ein Studium der Germanistik und der Malerei in Stuttgart und in Berlin. Letztendlich verschlug es ihn dann aber nach Frankfurt am Main, wo er als Redakteur an der Zeitschrift "pardon. die deutsche satirische monatschrift" mitarbeitete. So geh�rte er z.B. mit F.W.Bernstein zur "Neuen Frankfurter Schule", die sich in Zeichnungen, Gedichten und Geschichten um einen neuen politischen Witz und die komische Lyrik in Deutschland verdient machten. Auch bei der Gr�ndung von "Titanic. Das endg�ltige Satiremagazin" hatte er seine Finger im Spiel. Und man kann behaupten, dass bestimmt jeder schon mal was von ihm zu Geh�r bekommen hat: Otto Waalkes verwendete n�mlich in seinen fr�hen Programmen und Filmen fast ausschlie�lich Texte der Neuen Frankfurter Schule. Gernhardt ist heute t�tig als freiberuflicher Schriftsteller, Zeichner und Karikaturist und wurde f�r seine Arbeit mit diversen Preisen, unter anderem mit dem Literaturpreis f�r grotesken Humor, dem Bert-Brecht-Literaturpreis, dem Satirepreis G�ttinger Elch und eben dem Prix Pantheon in der Kategorie "Reif und Bekloppt" ausgezeichnet.

Bei alledem bezeichnet sich Gernhardt nicht gerne als Satiriker und sagt selber: "Ich will kein Oberlehrer und auch nicht auf der Kanzel sein, sondern halt eher im Publikum, am Nebentisch", wie auch im Gedicht "Deutscher im Ausland", das hier als kleine Leseprobe gegeben sei:

Ach nein, ich bin keiner von denen, die kreischend
Das breite Ges�� in den Korbsessel donnern,
mit lautem Organ "Bringse birra" verlangen
und dann damit prahlen, wie hart doch die Mark sei.

Ach ja, ich bin einer von jenen, die leidend
verkniffenen Arschs am Prosecco-Kelch nippen,
stets in der Furcht, es k�nnt jemand denken:
Der da! Geh�rt nicht auch der da zu denen?

Neben der Satire hat auch die "pure nicht-tendenzi�se Komik" nach dem Motto "Ich verarsche alles, lache alles aus" bei ihm ihren Platz. Er findet sie sogar gef�hrlicher als die Satire, "weil sie etwas Infantiles, Anarchisches, Dreistes und so auch Ordnungswidriges hat". Dazu als Beispiel das "Indianergedicht", in dem auch das Spiel mit der Sprache nicht zu kurz kommt:

Als aber der Pferdeh�ndler nicht ablie�,
auf Winnetou einzuteufeln,
bemerkte dieser in seiner einsilbigen Art:

Mann, dein Pferd
ist nichts wert.
Hier: das Bein
ist zu klein.
Dort: das Ohr
steht nicht vor.
Da: der Gaul
hat kein Maul.

Schau: der Schwanz
fehlt ihm ganz.
Und es trabt
nicht so recht,
denn das Pferd
ist ein � Specht!
Du viel dumm,
ich viel klug.
Hugh!

Gernhardt betrachtet hierbei Dichtung nach wie vor als Kunst, stellt aber fest, da� das eigentliche Geschick nicht darin besteht, Gef�hle durch gelungenen Reim zum Ausdruck zu bringen, sondern umgekehrt "S�tze, Worte und Reimw�rter so zu reihen, da� sie Gedanken oder Empfindungen suggerieren, im Gl�cksfall sogar produzieren". Und weil er die teilweise "zutiefst komische Qualit�t aller vom Reim gelenkten Sinn- und Beziehungsstiftung" und die verschwimmenden Grenzen zwischen Sinn und Unsinn erkannt hat, kommt er ohne literarisch Tiefsch�rfendes, unverst�ndlich Hochtrabendes aus und kann das Ganze ironisch betrachten.

Von Harald Schmidt wurde er daf�r als "Gottvater aller, die in Deutschland schon einmal einen Witz versucht haben" bezeichnet.

Obwohl es einem nun in den Fingern juckt, noch etliche Kostproben der komischen Lyrik zu kredenzen, hier nur noch ein kleines Schmankerl zum Schlu�:

Mondgedicht
. . , -
fertig ist das Mondgedicht

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