JULI
|
2002
|
Rubriken |
Service |
Kontakt |
Stephen
Fry: "Geschichte machen"
|
||||
siehe auch: |
||||
Der Historiker an sich ist normalerweise weit davon entfernt Geschichte zu machen. Denn wer Geschichte macht, tut das in der Regel in der Gegenwart und für die Zukunft. Der Historiker dagegen befasst sich eben ausschließlich mit der Vergangenheit. Er studiert sie, analysiert und bewertet sie. Manchmal stellt er vielleicht die Frage: Was wäre gewesen, wenn......? Doch das ist eigentlich wenig ergiebig. Michael Young ist angehender Historiker in Cambridge. Er hat seine Examensarbeit über den Aufstieg Adolf Hitlers und die Entstehung des Nazireiches gerade fertig geschrieben. Weil ihm aber die simplen Fakten offenbar zu trocken erschienen, hat er "sein Meisterwerk" mit ein paar literarischen Beschreibungen über die Herkunft Hitlers angereichert - sein Doktorvater findet das ungeheuerlich und natürlich auch unprofessionell. Young muss seine Arbeit korrigieren. In dieser Situation lernt er den Physiker Leo Zuckermann kennen. Die beiden haben durch ihre Vergangenheit oder durch ihre Arbeit eine besondere Beziehung zur Nazivergangenheit. Und sie fragen sich: was wäre, wenn..... Genauer: Wäre die Welt heute nicht besser, wenn Hitler nie geboren wäre. Sie glauben die Antwort zu wissen: In jedem Fall! Durch Zuckermanns physikalisches und Youngs historisches Wissen gelingt es den beiden, die Geburt Hitlers tatsächlich zu verhindern. Und nun beginnt eine neue, andere Geschichte, in der sich Young mittendrin und mit vollstem Bewusstsein befindet. "Geschichte machen" ist nicht nur wegen der absurden Idee lesenswert, sondern Fry gelingt es, eine durchaus schlüssige Zeitreisegeschichte zu schreiben. Ein Teil der Spannung begründet sich einfach darauf, wie es Fry gelingt, die Geschichte aufzulösen. Abgesehen davon, dass dieses Buch durchaus moralische Züge aufweist, ist es aber ein spannender und vor allem unterhaltsamer Roman. Dass Fry nicht nur Schriftsteller, sondern auch Filmschauspieler ist (Peter's friends, Oscar Wilde), wird nicht zuletzt durch einige Kapitel klar, die er wie ein Drehbuch geschrieben hat. Auch seine eigene Vergangenheit ist in diesem Buch verarbeitet: die jüdische Familie seiner Mutter floh vor den Nazis nach England. Fry's Großvater erzählte ihm immer wieder von den Cousinen, Cousins, Onkel und Tanten, die von den Nazis ermordet wurden. In einem Interview sagte Fry, er habe sich damals Hitler immer mit einem Messer vorgestellt, der die Menschen umbringt. sf |