MÄRZ
2002

 
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LITERATUR


"Diese Frau ist ein Besitz" - Marieluise Fleißer aus Ingolstadt
Ausstellung im Münchner Literaturhaus
Bis zum 07 April 2002


siehe auch:
www.literaturhaus-muenchen.de

 




links ein Ausschnit der Broschüre zur Ausstellung

„Diese Frau ist ein Besitz“ - dieses merkwürdige Zitat von Alfred Kerr ist das Motto der zur Zeit im Münchner Literaturhaus (am Salvatorplatz) zu sehenden Ausstellung über die relativ unbekannte Dramatikerin Marieluise Fleißer. Sie wurde am 23.11.1901 in Ingolstadt geboren, wo sie auch 1974 starb. In der Münchner Ausstellung zu Ehren ihres 100.Geburtstages begegnet der Besucher vielen Zitaten über Marieluise Fleißer, die berühmten Zeitgenossen und Weggefährten entstammen.

Gleich am Eingang ist Walter Benjamin zu lesen: „Die Fleißer hat am Sprachkleid die Spuren der Ingolstädter Mauern, die sie streifte“. Ihre Heimatstadt Ingolstadt spielt in ihrem dramatischen Werk und ihre Erzählungen tatsächlich eine wichtige Rolle. Sie versucht sich darin vom Kleingeist ihrer Zeit zu befreien.

In den 20er Jahren verließ die Fleißer ihre bayrische Heimat und bewegte sich in der Berliner Literaten und Avantgardeszene. So stößt der Ausstellungsbesucher auf Bertolt Brecht, dessen Geliebte sie Ende der 20er Jahre war, ein Status, den sie sich mit vielen Frauen teilen musste. Mit seiner Unterstützung gelangte 1928 auch ihr erstes Stück „Pioniere in Ingolstadt“ auf die Bühne, uraufgeführt im Theater am Schiffbauerdamm, heute das Berliner Ensemble. Das Stück sorgte für grosses Aufsehen. Vor allem in ihrer Heimatstadt zeigte sich große Empörung. Aber auch Brecht liess sie seine Kritik spüren. Sie distanzierte sich daraufhin von ihm.

Lion Feuchtwanger wurde ihr neuer Mentor. Zu seinem 70.Geburtstag fasst Marieluise Fleißer ihr Verhältnis zu beiden Männern 1954 in einem Briefentwurf so zusammen: „Der Brecht, das war immer ein Wunschtraum, die Realität, das warst Du...“. Trotz der intellektuellen Verbundenheit zu beiden heiratete sie in den 30er Jahren den Schwimm- und Ruder-Leistungssportler Bepp Haindl und zog sich im Dritten Reich zurück. Wie Erich Kästner lavierte sie sich durchs nationalsozialistische Deutschland und nahm Abstand zur Avantgarde der Weimarer Jahre.

1950 begegnete sie Brecht wieder, der sie vergeblich zu überzeugen versuchte, nach Ost-Berlin überzusiedeln. Anna Seghers taucht als einzige Frau in dieser Ausstellung auf. Doch der Kontakt zu ihr blieb knapp, Marieluise Fleißer kommentierte: „Ich schreibe keine Frauenbücher“. Anfang der 70er Jahre, im Zuge neuer gesellschaftlicher und sexueller Freizügigkeit, findet Marieluise Fleißer wieder ein größeres Publikum. Rainer Werner Fassbinder verfilmte fürs Fernsehen „Pioniere aus Ingolstadt“. In der weibliche Hauptrolle glänzte Hanna Schygulla. Die Fleißer fand Anschluß zu jungen linken Provokateuren wie Fassbinder, Sperr und Kroetz.

Der Film „Das bemerkenswerte Leben der Marieluise Fleißer aus Ingolstadt“ aus dem Jahr 1971 belegt diesen wechselvollen Werdegang. Auch die Ächtung, die sie in ihrer bayrischen Heimat erleben musste, kommt hier zur Sprache. Dieser Film von Walter Rüdek ist von Montag bis Freitag um 17 Uhr und am Wochenende um 14 Uhr in der Ausstellung zu sehen. Auf zwei Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung sei hier noch verwiesen: Am Mittwoch, 13. März lesen ab 20 Uhr im Saal die Schauspielerinnen Marianne Sägebrecht und Katharina Schubert aus frühen Texten von Marieluise Fleißer. Dazu tritt der bairisch diatonische Jodel-Wahnsinn auf.

Die Finissage der Ausstellung wird am Sonntag, den 7.April im benachbarten Kaffeehaus Dukatz ab 11 Uhr mit einer musikalisch-literarischen Collage aus Stücken, Briefen und Erzählungen zelebriert. Werke der Marieluise Fleißer sind beim Suhrkamp-Taschenbuch-Verlag verlegt. Auch gibt es zu der Ausstellung einen Katalog. Infos zur Ausstellung finden sich unter www.literaturhaus-muenchen.de.

Mögen viele Marieluise Fleißer nach ihrem 100.Geburtstag wiederentdecken – „Prachtvoll bleibt sie, wertvoll bleibt sie“ (Alfred Kerr).

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