SEPTEMBER
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2003
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Wenn der
Doktor zweimal klingelt: Per Olov Enquists "Der Besuch des Leibarztes"
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Per Olov Enquist: |
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Dänemark im 18. Jahrhundert. Der kleinwüchsige König Christian VII. wünscht sich im Grunde nur eins: von der "Qual der Königsmacht" befreit zu werden. Eine grausame Erziehung hat seinen Willen und seinen Geist gebrochen. Bestenfalls ist er geistig verwirrt, ein ewiges Kind - schlimmstenfalls komplett verrückt. Klar ist, dass er Dänemark nie selbst regieren wird, sondern dass dies jene übernehmen werden, die sein Vertrauen genießen. Genau dieses Vertrauen will Guldberg gewinnen, ein Emporkömmling, der sich selbst für den "Keltertreter Gottes" hält. Doch der Arzt Struensee ist erfolgreicher: Mit königlicher Vollmacht versucht er die Ideale der Aufklärung durchzusetzen und erlässt ein Gesetz nach dem anderen, verkennt dabei aber als "Schreibtischtäter" die Realitäten. Die Tragödie nimmt ihren Lauf, als Struensee ein Verhältnis mit der englischen Prinzessin Caroline Mathilde eingeht, nunmehr Königin von Dänemark, unglücklich in einem fremden Land mit einem geisteskranken Ehemann. Der schwedische Autor Per Olov Enquist hat den Roman in einem eigentümlichen Stil geschrieben. Elliptische Nachschübe und tranceartige Wiederholungen erinnern an die Erzählung einer Legende: Der Stammesvater fabuliert im Feuerschein von den lang zurückliegenden Ereignissen am dänischen Königshaus. Wie in einer Sage bleiben die Figuren eigentümlich flach, eine Identifizierung wird verhindert. Wenn am Ende der Arzt Struensee hingerichtet wird, so trauert der Leser nicht wirklich um ihn. Auch die Vorwegnahme von Ereignissen wirkt legendenhaft: Dramatische Wendepunkte werden stets schon Seiten vorher angekündigt. Darunter leidet natürlich die Spannung; sofern sie noch spürbar ist, klammert sie sich nicht mehr an das "was", sondern nur noch an das "wie". Man könnte dieses Vorgehen noch als einen interessanten Kunstgriff betrachten, der durchaus seinen Reiz hat. Doch leider werden die Lesererwartungen nicht selten enttäuscht - nämlich dann, wenn sich ein lang angekündigter Zwischenfall doch eher als banal denn als dramatisch erweist. Man muss dem Roman zugutehalten, dass er gerade wegen seiner stilistischen Eigenheiten durchaus einen fesselnden Erzählsog aufzubauen vermag. Doch es fehlen die Überraschungen: Am Ende der Lektüre ist auf der Handlungsebene genau das eingetreten, was am Anfang angekündigt wurde - und irgendwie hat man trotzdem das Gefühl, dass einem zuviel versprochen wurde. aw |