MAI
01
|
Rubriken
|
Service
|
Kontakt
|
Begegnung
mit Lily Brett
|
|||
|
|||
Mit ihren Büchern ist Lily Brett zur Zeit in
aller Munde. Vor wenigen Wochen gastierte sie auf ihrer Lesereise auch
in einer großen Berliner Buchhandlung, wo schon eine große
Anhängerschar ihrem nachmittäglichen Auftritt entgegenfieberte.
Im grellen Scheinwerferlicht wirkte sie - optisch eine Mischung aus
Cher und Lea Rosh - anfangs noch etwas blaß und deplaziert, doch
binnen Sekunden zog sie mit ihrem sanften Charme alle in ihren Bann.
Ihre Lebensgeschichte ist ungewöhnlich wie ihre Bücher. Lily Brett wird 1946 als Tochter von Holocaust-Überlebenden in Deutschland geboren. Kurz nach ihrer Geburt wandert sie mit ihren Eltern nach Australien aus. Sie beginnt dort ihre literarische Karriere als Journalistin für ein Rockmagazin. Inzwischen lebt sie in New York, wo sie eine Zeitlang auch eine Kolumne der New York Times mit Alltags-Essays füllte, die deutschen Lesern in der ZEIT zugänglich gemacht wurden. Zwischen Australien, New York, den Gedanken und Schwächen einer emanzipierten und modernen, zuweilen neurotischen Frau und vor allem ihrem familiären Hintergrund kreisen auch ihre Geschichten. Das Trauma ihrer Eltern in Auschwitz verarbeitet Lily Brett in ihren Büchern und bleibt bei ihren Betrachtungen doch ganz in der Gegenwart. So gesellen sich Bilder des Holocaust in eigenwilliger Weise zu den Alltags-Beschreibungen einer modernen, selbstkritischen Frau. Gerade diese Ambivalenzen machen für mich immer wieder den Reiz ihrer Bücher aus. Lily Brett schafft es immer wieder auf unkonventionelle aber überzeugende Weise, zwischen ernsten, traurigen Themen zu lebensfrohen und auch witzigen Tönen Brücken zu finden. Auf ihrer Lesereise stellte sie ihr neustes und umfangreichstes Buch "Zu viele Männer" vor. Es erzählt die Geschichte einer Frau, die mit ihrem Vater auf den Spuren seiner Vergangenheit nach Polen reist. Lily Bretts Vater, der in ihren Büchern immer wieder als verfremdete Figur erscheint, begleitete sie nun auch bei ihrer Lese-Tournee durch Deutschland - das er seit 1946 nicht betreten hatte - und erhielt stehende Ovationen der Rührung in besagter Berliner Buchhandlung. Geduldig und charmant signierte Lily Brett ihre Bücher und konterte auf die Bewunderung ihrer Geduld beim Signieren geistvoll mit "I admire the patience of young authors who are still writing and who might never publish or sign their books at all..." Die Bücher von Lily Brett sind erschienen bei Suhrkamp und Deuticke: "New York", "Einfach so", "Zu sehen" und "Zu viele Männer". um |