DEZEMBER
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2002
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Zola
und der Impressionismus
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Edouard Manet, "Nana", 1877 |
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Wie seine Kollegen Denis Diderot und Charles Baudelaire war der französische Schriftsteller Emile Zola (1840-1902) auch Kunstkritiker. Zwischen 1863 und 1866 traf Zola - vermittelt durch seinen ehemaligen Schulkameraden Paul Cézanne - die meisten der führenden Impressionisten, wie Pissarro, Monet, Degas und Renoir. Die Impressionisten malten ihre Bilder in flüchtigen Farbstrichen, die das Auge erst wieder zu einem Bild zusammensetzen muss, und brüskierten damit Publikum und Kritiker. Zola aber gefiel gerade dieser Kampf gegen den sterilen Akademismus und wurde zum Verteidiger der neuen Kunstrichtung. Entscheidender noch war Zolas Hoffnung, dass die Impressionisten in der Kunst den Schritt vollziehen würden, den er selbst gerade in seiner naturalistischen Literatur vollzog: das wahre, das moderne Leben nachzeichnen. Tatsächlich stimmten viele Bildthemen mit Zolas Romanthemen überein. Degas porträtierte in "Les Blanchisseuses" die Wäscherinnen, über die auch Zola in L'Assommoir schrieb; Manets "Nana" steht in direkter Verbindung mit Zolas gleichnamigem Roman, und Monets "Gare St Lazare" kam dreizehn Jahre vor Zola Eisenbahner-Roman La Bête humaine. Die Impressionisten waren für Zola also Vertreter der geforderten Modernität : "Chaque année, je constate que (...) les sujets classiques de tous genres deviennent plus rares (...) pour faire place à des tableaux de la vie contemporaine, où l'on trouve nos femmes, nos bourgeois, nos ouvriers, nos demeures et nos rues, nos usines et nos campagnes, toutes chaudes de notre vie. C'est la victoire prochaine du naturalisme dans notre école de peinture." ("Jedes Jahr stelle ich fest, dass die klassischen Bildthemen aller Genres seltener werden, um Bildern des zeitgenössischen Lebens Platz zu machen, wo man unsere Frauen findet, unsere Bürger, Arbeiter, Behausungen und Straßen, unsere Fabriken und Landstriche, ganz warm von unserem Leben. Das ist der baldige Sieg des Naturalismus in unserer Malschule.") Damit übersah Zola jedoch die Essenz des Impressionismus: Die Impressionisten malten die zeitgenössischen Szenen nicht um ihrer Modernität willen, sondern weil sie nur so das Spiel von Farben und Licht beobachten konnten. Dies war ihr Hauptanliegen, und darin lag die wahre Neuerung. Aufgrund dieses Missverständnisses konnte Zolas Begeisterung nicht ewig währen. Hatte er 1866 bis 1868 die Impressionisten noch als zukunftsträchtige neue Generation angesehen, die die französische Kunst revolutionieren würde, konnte er ab 1880 seine Enttäuschung bald nicht mehr verhehlen. "Le grand malheur, c'est que pas un artiste de ce groupe n'a réalisé puissamment et définitivement la formule qu'ils apportent tous. (...) Ce sont tous des précurseurs, l'homme de génie n'est pas né." ("Das große Unglück ist, dass nicht ein Künstler dieser Gruppe kraftvoll und definitiv die Formel verwirklicht hat, die sie alle anbringen. (...) Es sind alles Vorreiter, der Mensch von Genie ist nicht geboren.") Zola übertrug seine Forderungen an die Literatur allzu leichtfertig auf die Malerei, welche aber einen anderen Weg einschlug - einschlagen musste. Nach Zolas Maxime "une oeuvre d'art est un coin de la création vu à travers un tempérament" ("ein Kunstwerk ist eine Ecke der Schöpfung, durch ein Temperament hindurch gesehen") soll der Künstler die Welt so darstellen, wie sie ist, gleichzeitig aber auch so, wie er sie sieht. Dennoch lag der Schwerpunkt für Zola auf einer möglichst naturalistischen Darstellung. Der Impressionismus jedoch ließ das "Temperament" allzu offensichtlich die Oberhand gewinnen; so wurden Bäume blau, Wasser rot dargestellt. Als im Salon von 1896 die impressionistischen Techniken ihren Höhepunkt erreichten, reagierte Zola deshalb nur mit einem gequälten "c'est affreux, affreux, affreux !" ("das ist grauenhaft, grauenhaft, grauenhaft!") und fragte sich desillusioniert: "C'est pour ça que je me suis battu ?" ("Habe ich etwa darum gekämpft?") Es könnte noch einen weiteren Grund für Zolas Sinneswandel
geben, so lächerlich er auch klingen mag. Zola war stark kurzsichtig
und trug zunächst keine Augengläser. Diese Kurzsichtigkeit
kam der impressionistischen Malerei durchaus entgegen, da sich die
locker aufgetragenen Pinselstriche erst im Auge des Betrachters zu
einem Ganzen verschmelzen sollen; der Schwerpunkt liegt auf Farbe
und Licht statt auf Kontur und Tiefe. Erst ab 1877 begann Zola in
der Öffentlichkeit einen Kneifer zu benutzen - und seine bessere
Sicht fällt mit seiner wachsenden Enttäuschung über
die impressionistische Malerei zusammen. aw |