JUNI
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Toulouse-Lautrec
und die Plakatkunst
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Mit dem Aufschwung der industriellen Produktion Ende des 19. Jahrhunderts wurde auch die Reklame immer wichtiger. Nichts eignete sich besser als das Plakat, um auf Produkte und Veranstaltungen hinzuweisen. Entscheidend für den Siegeszug des Plakats war aber auch die Erfindung der Lithographie: Mit geringem materiellen und finanziellen Aufwand ließ sich eine hohe Auflage erreichen. Erst wurden die Plakate von Grafikern entworfen, bald jedoch auch von "echten" Malern wie Jules Chéret. Chéret verzichtete 1877 in einem Plakat erstmals auf Perspektive und Schatten und eröffnete damit eine Entwicklung weg von der Realitätsabbildung hin zu plakativen Farbflächen und reduzierten Formen. Henri de Toulouse-Lautrec gelang es 1891 mit einem Werbeplakat für das berühmte Pariser Tanzlokal Moulin Rouge, Chéret zu übertreffen. Im Mittelgrund tanzt der Star des Moulin Rouge, La Goulue - die Gefräßige. Ihre Angewohnheit, die Gläser der Gäste leerzutrinken, brachte ihr diesen Namen ein. Später nahm sie jedoch so zu, daß sie nicht mehr die ganze Vorstellung durchhielt und deshalb ihre Anstellung verlor. Im Vordergrund sieht man die graue Silhouette von Valentin le Désossé - der Schlangenmensch. Mit seiner dürren Statur und seiner großen Beweglichkeit galt er als König aller Pariser Tanzlokale. Im Hintergrund schließlich befindet sich die schwarze, zu einer Linie verschmolzene Silhouette der Zuschauer. Radikal neu ist die Staffelung der drei stilisierten Silhouetten: Sie leiten optisch stark in die Tiefe. Dieser Eindruck wird durch die fliehenden Bodenbretter noch verstärkt. Das Hauptgeschehen befindet sich auf der mittleren Ebene, eine schwierige Aufgabe, die Toulouse-Lautrec brillant gelöst hat. Gleich vier Plakate entstanden für den Sänger Aristide Bruant, der 1885 das Kabarett Le Mirliton eröffnete. In rauem Argot-Slang sang der grobschlächtige Bruant über Prostituierte und Verbrecher, womit er in der feinen Gesellschaft große Erfolge feierte. Das erste und bekannteste Bruant-Plakat malte Toulouse-Lautrec 1892. Es wirbt für Bruants Auftritte im Café-Concert Les Ambassadeurs und zeigt den Sänger in seinem Bühnenkostüm mit dunklem Mantel, Hut, rotem Schal und grobem Stock, wie er gerade die Bühne betritt. Sein herrischer Gesichtsausdruck und sein stattlicher, vom Bildrand angeschnittener Körper kommen dem Betrachter gefährlich nah, doch die Schrift schafft rettende Distanz. Zusätzliche Dramatik erhält das Bild durch eine Schattenfigur im Hintergrund. Der Direktor des "Ambassadeurs" war von dem Plakat entsetzt, doch Bruant, der Toulouse-Lautrec sehr schätzte, konnte sich schließlich durchsetzen. Das Plakat wurde sofort zum Publikumserfolg, paßte es doch hervorragend zu Bruants provokantem Stil. Toulouse-Lautrecs Plakate sind mehr Kunst als Reklame. Ihnen ist
es deshalb auch zu verdanken, daß die Reklame im 19. Jahrhundert
aufgewertet wurde: Sie galt nicht mehr als rein kommerziell, sondern
besaß eine eigene Ästhetik. |