Mars und Venus sitzen auf einem Diwan über den Wolken, im Hintergrund ist der Eingang eines Tempels zu erkennen. Mars, der Kriegsgott, hat seine Waffen abgelegt, die gerade von den drei Grazien davongetragen werden. Trotz des klassischen Bildthemas zeigen sich bei genauerem Hinsehen deutliche Irritationen. Die Figuren wirken ungeschickt und scheinen mit ihren Aufgaben überfordert, als wüssten sie nicht, was zu tun ist.
Mars ist selbstversunken und nimmt von Venus keine Notiz, rückt eher von ihr ab. Mit der linken Hand streckt er seine Schwertscheide aus, ohne dass jemand sie in Empfang nehmen würde, woraus sich eine gewisse Komik ergibt. Venus ist zögerlich, fast ängstlich; sie scheint unsicher, ob ihre Liebe Erwiderung findet. Statt Mars' Helm, wie es die kunsthistorischen Vorbilder vorsehen, hält sie eine Blumenkrone in der Hand. Sie scheint sich jedoch nicht so recht zu trauen, ihrem Liebhaber diese neue Kopfbedeckung aufzusetzen, und verharrt mitten in der Bewegung.
Der Helm wiederum wird von einer der Grazien hoch in die Luft gehalten, ohne dass sich ein Sinn hinter dieser Handlung erkennen ließe.
Auch das Aussehen passt nicht: Statt sinnlicher Formen ist Venus eher dünn, fast knabenhaft. Den Grazien fehlen alle Attribute, die sie normalerweise begleiten sollten - Anmut, Harmonie und Schönheit.
Für sie haben augenscheinlich reale Frauen Modell gestanden, ohne dass der Maler zur künstlerischen Überhöhung gegriffen hätte. Das klassizistische Ideal wird damit gebrochen. Selbst die Tauben, typische Begleiter der Venus, sind gewöhnliche, fast schäbige Tiere.
Auch der Hintergrund ist irritierend:
Die Wolken wirken solide, Tempel und Diwan scheinen eher zu schwimmen als zu schweben. Ungewöhnlich sind auch die leuchtenden, satten Farben, die auf die Romantik verweisen.
„Mars entwaffnet durch Venus und die Grazien“ ist das
letzte Werk
Davids vor seinem Tod. Während das beau idéal der Klassizisten immer noch in den Figuren von Mars und Venus sowie im klassischen Bildthema angedeutet ist, verkörpern etwa die drei Grazien das beau réel der Romantiker.
Verfechter dieser beiden konkurrierenden Stilrichtungen liefern sich zwischen 1790 und 1830 einen erbitterten Wettstreit. David, der normalerweise der klassizistischen Richtung zuzurechnen ist, schafft es, in seinem Alterswerk beide Stile in einem Bild zusammenzuführen.
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Abbildung: Jacques-Louis David (1748-1825), „Mars désarmé par Vénus et les Graces“ (1824), Öl auf Leinwand, 308 x 265 cm, Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique, Brüssel.
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