JUNI
2008

 
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KUNST

KUNST UND MYTHOLOGIE
Jacques-Louis David, „Amor und Psyche“

Davids Bild zeigt eine Szene aus einem antiken Märchen. Psyche, die Gefangene Amors, schläft, während Amor sich gerade aus dem Bett stehlen will. Auffällig ist der Kontrast zwischen der makellosen Psyche und dem plumpen Amor, mit dem David seine eigene Interpretation der Geschichte anbietet.


In besagtem Märchen, das auf Apuleius zurückgeht, ist Psyche eine Königstochter von so strahlender Schönheit, dass sie den Neid der Liebesgöttin Venus erweckt. Venus befiehlt daher ihrem Sohn Amor, Psyche dazu zu bringen, sich in einen schlechten Mann zu verlieben. Als Psyche mit einem Dämon verheiratet werden soll, wird sie von Amor, der sich insgeheim in sie verliebt hat, gerettet und in einen Palast gebracht. Dort hält er sie gefangen und besucht sie Nacht für Nacht in der schützenden Dunkelheit, ohne dass sie je sein Äußeres erblicken würde.

Psyche wird von Amor schwanger, gelangt aber zu dem Glauben, er wäre ein Monster. Als sie ihn eines Nachts zu töten versucht, erblickt sie ihn, die Öllampe in der Hand, zum ersten Mal bei Licht. Sofort verliebt sie sich unsterblich in ihn. Amor aber ist über den Angriff empört und zieht sich zurück. Psyche muss viele schwere Prüfungen überstehen, in die die immer noch missgünstige Venus sie verstrickt. Am Ende fällt Psyche in einen todesähnlichen Schlaf, aus dem sie von Amor erweckt wird. Jupiter gibt dem Paar die Erlaubnis zu heiraten und macht Psyche unsterblich.

Davids Bild zeigt, wie Amor sich bei Tagesanbruch gerade aus der gemeinsamen Schlafstätte schleichen will. Neben ihm schlummert Psyche, noch nicht zur Revolte entschlossen. Statt der sonst üblichen Darstellung in Unschuld und Schönheit zeigt David Amor als selbstzufriedenen, erbarmungslosen Gott, dessen vulgäres Grinsen im Kontrast zu der sinnlichen und zugleich verletztlichen Schönheit Psyches steht.

Amors Körper ist in einer ungelenken Verdrehung begriffen; er hat plumpe Hände, ein unreifes Äußeres. Zudem wirkt er auf geradezu komische Weise ungeschickt: Sein Fuß hat sich im Bettzeug verfangen, und beim Aufstehen müsste er sich fast den Flügel ausreißen. Dem eckigen, grobschlächtigen Amor steht die Rundheit und Weichheit von Psyches Konturen gegenüber. Auch in der Farbigkeit ist ein Kontrast zwischen der bäuerisch gebräunten Haut Amors und dem vornehm hellen Teint Psyches zu bemerken. Das Bett, das fast den ganzen Bildraum einnimt, ist für zwei Personen viel zu eng; Wände und Boden sind schmutzig dunkel. Der ganze Raum wirkt klaustrophobisch und bedrückend, so dass der Schauplatz eher einem Gefängnis als einem Palast gleicht.

Insgesamt thematisiert Davids Bild in der Gegenüberstellung des unflätigen Amors und der zarten Psyche, eingepfercht in einen klaustrophobischen Raum, vor allem das Gefühl des Ausgeliefertseins - zunächst rein physisch, da Amor Psyche gefangenhält, bald aber auch psychisch, da sie sich in ihren Entführer verlieben wird. David wartet also mit einer eigenen Interpretation des antiken Märchens auf, die sich nicht an ein verklärtes Bild des schönen Liebesgottes hält, sondern ihn von seiner düsteren Seite zeigt.

aw

Abbildung: Jacques-Louis David (1748-1825), „Amor und Psyche“ (1817), Öl auf Leinwand, 184 x 242 cm, Museum of Art, Cleveland.

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