MAI
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2004
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Historienbilder erzählen: Menzel, "Aufbahrung der Märzgefallenen" |
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Adolph Menzel (1815-1905) |
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Adolph Menzels unvollendetes Gemälde zeigt die Aufbahrung der 183 Berliner, die bei den revolutionären Unruhen im März 1848 gefallen waren. Ihnen muss der König entblößten Hauptes seine Referenz erweisen. Im Zuge der Revolution von 1848 waren die Forderungen des Volks nach einer Verfassung und nach der deutschen Einigung immer lauter geworden. Als am 18. März 1848 auf einer großen Kundgebung eine Proklamation verlesen werden sollte, rückte plötzlich Militär an, Schüsse fielen. Das Volk errichtete Barrikaden und bewaffnete sich. Berlin wurde zum Zentrum der Märzrevolution. Schließlich rief der überforderte König Friedrich Wilhelm IV. die Truppen zurück, sagte die Umbildung der Regierung zu und versprach seinen Bürgern Amnestie. Am 21. März 1848 bewilligte er eine verfassungsgebende Nationalversammlung in Preußen und verkündete, dass Preußen fortan in Deutschland aufgehen sollte. Am folgenden Tag fand die Aufbahrung und feierliche Beisetzung der 183 Märzgefallenen statt, denen der König huldigen musste. Adolph Menzels Bild "Aufbahrung der Märzgefallenen" zeigt nicht die Huldigungszeremonie selbst, sondern ihre Vorbereitung. Im Hintergrund sind die schwarz bedeckten Särge aufgereiht; ein weiterer Sarg wird gerade über den Platz getragen. Schaulustige haben sich versammelt. Es ist problematisch, das Bild noch als klassisches Historienbild zu bezeichnen. Dagegen spricht neben dem kleinen Format vor allem die Abwesenheit einer Hauptfigur - eines Helden, von dem eine historisch bedeutende Handlung ausgehen würde. Die Helden sind alle tot, gleichförmig sind ihre Särge auf den Stufen aufgereiht. Das geometrische Zentrum des Bildes ist unbesetzt - ein leerer Platz. An die Stelle des Helden tritt allenfalls der einzeln über den Platz getragene Sarg. In ihm könnte man ein Zeichen für Individualität sehen, ist er doch anders als die restlichen Särge nicht schwarz bedeckt. Deutlich sticht er aus der dunkel gekleideten Menge heraus, ein Effekt, der durch das weiße Tuch noch verstärkt wird. Wenn es in dem Bild überhaupt einen Handlungsimpuls gibt, so geht er von diesem Sarg aus: Er ist als einziger in Bewegung. Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass das Bild
unvollendet ist, wie der linke untere Bildteil deutlich zeigt. Signatur
und Datierung weisen jedoch darauf hin, dass der Maler dies so gewollt
hat. Indem das Bild auf einen sinnstiftenden Helden verzichtet, indem
es in sein Zentrum eine Leerstelle setzt, indem es unvollendet bleibt,
verweist es auf die Unmöglichkeit, dem dargestellten Stück
Historie einen klaren Sinn zu geben. aw |