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Traumforschung: Hatte Freud recht?

Über die Bedeutung unserer Träume

Letztens las ich einen interessanten Artikel in einer alten Psychologie heute (März 2000), der durchaus noch aktuell ist. Schon lange streitet sich die Traumforschung darüber, ob Träume nur Schäume sind - oder ob Freud am Ende doch recht hatte. Anlaß neuer Kontroversen war eine Entdeckung des Schlafforschers Mark Solms. Aber ich beginne lieber mit dem Anfang:

In seiner berühmten Traumtheorie stellte Sigmund Freud vor 100 Jahren die These auf, daß Träume der Erfüllung unterdrückter, unbewußter Wünsche dienen, meist sexueller Natur.

1953 entdeckten die Schlafforscher Aserinsky und Kleitman, daß der nächtliche Schlaf durch Phasen großer physiologischer Aktivität unterbrochen wird: Offensichtlich handelte es sich um Traumphasen. Die Forscher bezeichneten diese Phasen als REM-Schlaf, da man sie unter anderem an den heftigen Lidbewegungen ("Rapid Eye Movements") des Schlafenden erkennen kann. Im Abstand von 90 Minuten sendet der Hirnstamm dabei eine "blinde Aktivierungssalve an das Großhirn hinauf (...) das Gehirn versucht, sich einen Reim darauf zu machen und 'übersetzt' das Zufallsgeknatter seiner Nervenzellen in Bilder und Szenen" (Psychologie Heute). Da der Hirnstamm als besonders primitive Hirnregion nicht das geringste mit Wünschen oder Trieben zu tun hat, schien Freud widerlegt.

Doch bald mußte man feststellen, daß Menschen nicht ausschließlich während der REM-Phasen träumen, sondern auch in den stillen Phasen. Denn weckte man die Testpersonen außerhalb des REM-Schlafes auf, konnten sie trotzdem über Traumbilder berichten. Inzwischen weiß man, daß 20 bis 25 Prozent der Träume sich während des Non-REM-Schlafes ereignen.

Viele Schlafforscher versuchten die REM-Theorie zu retten. Allan Hobson betrachtete die Non-REM-Träume als weniger intensiv, Tore Nielsen erklärte sie zu bloßen Nachwirkungen der REM-Aktivitäten. Doch die Formel "REM-Schlaf gleich Traumschlaf" ist nicht mehr haltbar: Werden bei einem Menschen durch einen Schlaganfall die Teile des Gehirns zerstört, die den REM-Schlaf auslösen, führt dies nicht zu einem Verlust der Traumfähigkeit. Werden hingegen andere Areale zerstört, kann es trotz intaktem REM-Areal zu Verlust der Traumfähigkeit kommen.

Anlaß des Psychologie-Heute-Artikels war eine sensationelle Entdeckung des Forschers Mark Solms. Er hat zwei "höhere" Gehirnareale gefunden, die mitverantwortlich für unser Träumen sind: Ein Areal, das für die räumliche Wahrnehmung zuständig ist, und eins, in dem das Bedürfnissystem des Gehirns sitzt. Es wird aktiv, um uns in unserer Umwelt nach einem Objekt suchen zu lassen, das unsere momentanen Bedürfnisse befriedigt. Es steuert also unser Verhalten, wenn wir hungrig, sexuell erregt oder auf Entzug sind. Wird dieses Motivationsareal zerstört, leiden die Betroffenen unter einer massiven Antriebslosigkeit, die immer bei Verlust der Traumfähigkeit auftritt. Diese Hirnregion könnte zumindest einen Teil dessen darstellen, was Freud "Libido" nennt. Also hat Träumen doch etwas mit Wünschen und Trieben zu tun?

Solms' Gegner Allan Hobson spekuliert, daß Träumen dem Austesten von Instinktmechanismen dient, um ihre Funktion zu gewährleisten. Solms räumt ein, daß diese Hypothese überprüft werden muß: Nur müsse man dann auch Freud neu überprüfen. Denn nach den jüngsten Erkenntnissen kann Freud nicht mehr als widerlegt gelten - nur als unbewiesen. Die These, daß Träumen dem Festigen unseres Gedächtnis dient, indem Erlebnisse je nach Wichtigkeit dem Langzeitgedächtnis zugeteilt oder gelöscht werden, ist übrigens auch nicht stichfest: Menschen, die ihre Traumfähigkeit verloren haben, leiden keineswegs unter Gedächtnisproblemen.

Warum wir träumen, bleibt also noch immer ein großes Rätsel. Doch die modernen Möglichkeiten der neuropsychologischen Hirnforschung könnten bald Licht ins Dunkel bringen.

aw