1. Die Losung für diesen
Monat steht im Franke Evangelium, im Kapitel 9, der Vers 20:
Und die Tage des Stillstandes begannen, die
Maulesel lahmten,
die Briefmarken klebten nicht mehr, die LKW-Fahrer streikten.
Wer kennt das nicht? Diese vermaledeiten Tage, wo das Auto nicht
anspringt, die Briefmarke nicht klebt und kein Klebstoff im Haus ist.
Verlust an Mobilität! Äußerer und logistischer!
Gerade in dieser Zeit, die Mobilität in die Nähe einer Tugend
rückt. Aber eine Tugend ist auch eine Verpflichtung und eine
Verpflichtung ist eine Abhängigkeit. Wie sehr sind wir doch abhängig
von ständiger Verfügbarkeit, Wandelbarkeit und eben Mobilität?
Festtage sind immer eine Gelegenheit, unserem Unbehagen im Alltag
nachzuforschen. Die kommende Renaphanie werden wir alle dazu nutzen,
jeder auf seine Art, Abstand zu unserem Alltag zu gewinnen und die
Geselligkeit eines Festes eignet sich immer, sich darüber auch
auszutauschen.
Nun ist aber gerade die Renaphanie immer wieder für viele das
Fest eines moralischen Zeigefingers. Habe ich die Lastenzeit im Sinne
Renatens genutzt? Sollte ich nicht in diesem Jahr für alle Lasten
bereit stehen, und wenn sie auch vom undankbaren Nachbarn sind? Tun
wir alle genug, um eine neue Zeit des Stillstandes zu verhindern?
Ich denke nicht, daß wir uns diese Fragen auf diese Art stellen
sollten.
Natürlich ist Renates Tod eine Mahnung an uns. Denn was tun Renates
Anhänger, als die Lakarier mit den atombetriebenen Elfendolchen
Renate ergreifen: Da sie aber mit atombetriebenen Elfendolchen
bewaffnet waren und Renate mit den Worten 'Seid gut!' allen gewaltvollen
Widerstand untersagte, versteckten sich alle hinter einem Baum.
(EvFrank 8,28)
Und verstanden sie Renate richtig? Seid gut!, heißt
das denn, sie sollen sich zurückziehen?
Wir wissen nicht, wie bedrohlich und übermächtig der Gegner
war, aber ganz Berlin war voller Anhänger Renates. Hätten
sie nicht gemeinsam...
Aber dieser Vorwurf ist nicht fruchtbar. Die Lakarier hatten Renates
Tod gut geplant.
Und das Rad der Geschichte ließ sich noch nie zurückdrehen.
Wichtiger ist, daß ihnen Renate erschienen ist.
Das Franke Evangelium datiert den Beginn der Zeit des Stillstandes
auf den Tod Renates und auch hier wird erzählt, wie sie ihren
Anhängern erscheint. Diese Erscheinung veranlaßt den Berichtenden
auch zu der Gewißheit: daß Renate auch über
ihren Tod hinaus den Menschen ihre Last nehmen könne. (EvFrank9,
23)
Und weil das so ist, brauchen wir keinen mahnenden Zeigefinger. Renate
zeigt sich nicht, um zu ermahnen, sondern um die Trauer zu lindern.
Sie will uns zeigen, daß sie bei uns ist und bleibt. Der Tod
kann ihr nichts anhaben, was sollten uns Autos, die nicht anspringen,
und Briefmarken, die nicht kleben, in unserem Bestreben nach Lastenausgleich
dann anhaben können?
Mobilität als Selbstzweck stellt keinen Wert dar. Und für
den Lastenausgleich ist jede Aktion wertvoll, wenn wir dabei auch
nicht immer unseren Ansprüchen gerecht werden können.
Eine frohe Renaphanie!
(Prof. Frank Sorge, Puppenlappen)
Hinweisschild wie in fast jeder renatistischen
Versammlung zur Renatenacht.
Nach 23 Uhr darf in keiner Versammlung eine Last bewegt werden.
2. Unsere Welt wäre ohne
Renate schwer und belastend
Vom 22. bis 26. Mai begehen auch in diesem Jahr Renatisten wieder
das große Renaphanie-Fest. Aus diesem Anlaß hielt Ceryx
folgendes Interview mit Dr. Waltraud Rebuh, Hyperversammlungsleiterin
der Vereinigten poldeïschen Versammlungen Ostelbiëns.
Ceryx
Frau Hyperversammlungsleiterin, Renaphanie sind für die meisten
erst einmal fünf freie Tage, die für einen Kurzurlaub genutzt
werden. Ist der renatistische Sinn des Festes nicht längst auf
der Strecke geblieben?
Waltraud Rebuh
Diese Haltung zum Renaphanie-Fest gibt es natürlich. Niemand
kann das ernsthaft bestreiten. Als Renatistin muß ich sagen,
das ist eine arenatistische Position. Aber im Ernst, wundern Sie sich
darüber? Nach jahrzehntelanger bewußter Verdrängung
des Renatismus in unserem Land ist nichts anderes zu erwarten.
Ceryx
Das klingt aber sehr resigniert.
Waltraud Rebuh
Mit Resignation hat dies nichts zu tun - im Gegenteil. Es kann hier
ja nur darum gehen, die Situation ganz ohne Schuldzuweisungen richtig
einzuschätzen. Und da trugen wir als Renatisten ja auch einen
Gutteil dazu bei, daß es so gekommen ist.
Ceryx
Wie meinen Sie das?
Waltraud Rebuh
Gerade das gewaltsame Auftreten der sog. Constancischen Renatiker
in den Jahren 2333 bis 2345 hat dem Renatismus im ganzen zutiefst
geschadet. Zum einen war das Vertrauen in die lastenausgleichende
Glaubwürdigkeit schwer erschüttert. Zum anderen setzte die
neue Regierung gerade wegen dieser gemachten Erfahrung eine völlige
Trennung von Staat und Renatismus durch. Dies hat für mich zu
einer Art von Gewohnheitsarenatismus geführt. Ich kann nur jeden
auffordern, sich mit der Geschichte des Renaphanie-Festes zu beschäftigen.
Es ist eine Geschichte, die die Welt verändert hat.
Ceryx
Inwiefern?
Waltraud Rebuh
Renaphanie ist das Fest des Renatismus, an dem das Teilnehmen am Leiden
Renates, die Erinnerung an ihren martialischen Tod, übergeht
in die Freude der Renate-Erscheinung. Die Renaphanie-Geschichte dokumentiert,
daß der Lastenausgleich doch stärker ist als der Stillstand.
Aber auch, daß unsere eigenen Belastungen, unser Stillstehen
den Weg in die Zukunft des Rundlaufens der Weltkugel nicht versperren.
Renate steht auf der Seite des Lastenausgleichs.
Ceryx
Nach den Renatika ist Renate in der Werner-Eichenbrodt-Sternwarte
im Berliner Plänterwald von den Lakariern zutode gefoltert worden.
Daran gedenken wir in der Renatenacht. Danach erschien sie aber vielen,
was wir am Renaphanie-Tag feiern. Viele Kritiker bezweifeln aber gerade
das.
Waltraud Rebuh
Keiner bezweifelt heute noch ernsthaft, daß Renate gelebt hat,
und daß ihre Geschichte einen ganz harten Kern hat.
Ceryx
Aber nicht nur die Erscheinung nach ihrem Tode widerspricht doch allen
Logikgesetzen. Ebenso die Berichte, wonach Renate mit ihrem wundersamen
Gefährt den Menschen schwerste, auch immaterielle Lasten genommen
haben soll. Sind diese Erzählungen in den Renatika nicht eher
nur Legenden, um einen Menschen in den Augen der Welt zu überhöhen?
Waltraud Rebuh
Es ist unzweifelhaft, daß Renate auf die Menschen ihrer Umgebung
eine befreiende Wirkung hatte. Sie hat sie im wahrsten Sinne des Wortes
entlastet. Und was wir in den Renatika lesen über die Entlastung
Beladener, führt ganz bestimmt auf den Kern der Wirksamkeit Renates.
Ob wir jetzt die Darstellungen in den Renatika Wort für Wort
nachvollziehen können oder nicht, ist nicht das Entscheidende.
Genauso ist es mit der Botschaft von der Erscheinung, daß Renate
mit ihrem Tode nicht zum unwiderruflichen Ende des Lastenausgleichs
gekommen ist.
Ceryx
Und trotzdem sagen viele: Was soll das Ganze heute noch?
Waltraud Rebuh
Man muß sich nur einmal einen Augenblick klar machen, wie unsere
Wirklichkeit ohne die Erzählung von Renates Tun in Wiesbaden
aussähe. Unsere Gesellschaft sähe bei allem vorhandenen
Übel völlig anders aus, wenn es diese Kultur des Helfens,
die Renate und ihre Anhänger vorgelebt haben, nicht gäbe.
Unsere Welt wäre ohne Renate und die Geschichte ihres überwundenen
Leidens schwer und belastend.
Ceryx
Am 28. August, dem Betty-Tag, feiern die Renatisten die Geburt Renates.
In der Renatenacht gedenken sie ihres martialischen Todes und am 26.
Mai der frohen Botschaft ihrer Erscheinung vor Susanne und den Zwergen.
Was weiß man eigentlich über diese Renate?
Waltraud Rebuh
Das genaue Geburtsjahr ist unbekannt. Der Grund hierfür liegt
nicht nur in unsicherer Überlieferung durch die frühen Renatisten,
sondern vor allem in Verschleierung von Tatsachen und bewußter
Geschichtsfälschung von seiten der Neo-Lakarier zur Zeit des
Stillstandes. Beispielsweise wurden alle Eintragungen des Puppenlappner
Einwohnermeldeamtes, die über Renate Aufschluß geben könnten,
bereits Anfang der 20er Jahre des 21. Jahrhunderts gelöscht.
Ziemlich sicher ist sich die renatikische Wissenschaft heute darin,
daß Renate etwa Anfang vierzig war, als sie so martialisch hingerichtet
wurde. Glaubhaft ist hierbei die Angabe, daß sie wegen des großen
Festes nach Berlin gekommen war. Für das letzte Nußmann-Konzert
ist der Abend des 24. 5. 2000 gesichert. Renate traf am Tag zuvor
in der Hauptstadt ein. Da dies ein Montag war und es noch keinen Dienstag
gab, ist als Zeitpunkt ihres Todes die Nacht vom 22. auf den 24. Mai
festzumachen.
Dann kann man als Geburtsjahr etwa 1957 errechnen. Davon ausgehend
können alle weiteren Etappen ihres Lebens erschlossen werden,
wobei deren Exaktheit unsicher bleibt.
Ceryx
Am 28. August sind Jahr für Jahr die Versammlungen gefüllt.
Wie ist das jetzt zum Renaphanie-Fest?
Waltraud Rebuh
Ich stelle von Jahr zu Jahr fest, daß auch die Renaphanie-Versammlungen
immer besser besucht werden. Das gilt übrigens auch für
die Versammlungen in der Renatenacht. Aber auch die Tradition, sich
nach dem Gedenken an den martialischen Tod Renates wie damals Susanne
für drei Tage in die Kanalisation zu begeben, wird immer stärker
wieder aufgegriffen. Da es Glück verheißt, am 24. Mai diejenigen
wiederzutreffen, die man am Nußmannfest im Supermarkt getroffen
hatte, kommen immer mehr Menschen in der Kanalisation zusammen. In
vielen Städten und Gemeinden gibt es bereits seit einigen Jahren
zu dieser Zeit Tage der Offenen Tür in den Abwasserkanälen.
Renaphanie ist ein Fest, an dem wir aus dem Aushalten von Dunkelheit
und Trauer übergehen in das Licht des Lastenausgleichs. Das gibt
Entlastung und Kraft. Ich freue mich, daß sich auch immer mehr
junge Leute darauf einlassen.
Ceryx
Wir danken Ihnen für dieses Interview.
Waltraud Rebuh
Ich danke Ihnen, und wünsche allen Ceryx-Leserinnen und -Lesern
eine schöne Renaphanie-Zeit. Renanata!
fs / bä
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