1. Die Losung der Renatuther
Brüderversammle für April 2403 steht im achten Kapitel des
Freiheitsevangeliums:
,Jedem anderen würde ich raten, Renate
zu fragen, antwortete Sabine,
,aber dir schlage ich vor, die Reichen dazu zu bringen, den Armen
zu helfen.
(EvFrei 8,19)
Liebe Leser!
Vor einigen Jahren erhielt ich einen Brief mit folgendem Inhalt: Lieber
Herr Versammlungsleiter, hoffentlich nehmen Sie es mir nicht übel,
wenn ich Ihnen dies schreibe. Es handelt sich nämlich um eine
etwas heikle Angelegenheit: nicht um mich, sondern um Sie. Sie sind
seit einiger Zeit so chronisch nervös und überlastet, daß
man sich kaum traut, Sie anzusprechen. Wenn Sie mir in letzter Zeit
die Frage danach stellten, wie es mir gehe, dann hatte ich immer den
Eindruck, daß ich darauf höchstens mit zwei kurzen Worte
antworten dürfe, weil Sie immer so viel im Kopfe und im Herzen
haben, daß Sie eigentlich schon woanders sind.
Wir haben einen Versammlungsleiter, der sich um alle und alles kümmert,
der von einer Besprechung zur nächsten Sitzung eilt, Besuche
macht, für alle da sein will - aber, ob er überhaupt noch
zu sich selber kommt? Ich höre Sie jetzt seufzend fragen, was
Sie denn machen sollen. Das ist meine Antwort: Das sollen machen,
was Ihre Aufgabe in der Versammlung ist - nämlich auf Renate
zu hören; mehr horchen als reden, mehr lesen als schreiben. Nicht
alles tun wollen! Auch einmal eine Aufgabe an andere delegieren. Vieles
unserer Renate und manches anderen Versammlungsmitgliedern überlassen.
Darf ich Ihnen das um Ihretwillen und um unserer Versammlung willen
raten?
Herzliche Grüße, Ihr Jens-Uwe Schirgulski [Name geändert].
Dieser Brief gab mir einiges zu denken und veranlaßte mich,
manches in meinem Leben als Versammlungsleiter zu ändern - es
hat funktioniert.
Auch die diesmonatige Losung führt uns gedanklich in diese Richtung.
Sabine gibt Renate eine Rat. Nicht jeder Anhänger dürfte
sich erlauben, sein Vorbild so offen und direkt zu kritisieren. Vor
allem nicht, wenn es sich um so ein bedeutendes Vorbild wie Renate
handelt. Renate ist ja ganz erfüllt von ihrer Tätigkeit.
Buchstäblich in langen Schlangen warten die Belasteten darauf,
von Renate entlastet zu werden. Sabine ist zu Besuch bei Renate. Sie
bekommt einiges mit. Sie hat gesehen, daß das bekannte Model
Lara Laufsteg Renate zu sich gebeten hatte, nur wegen zu großer
Schuhe. Währenddessen warteten aber viele Menschen mit wirklichen
Lasten vergeblich auf Renate (EvFrank 8,16).
Sabine spricht nicht mit Renate, weil sie sich wichtig machen will.
Nein, sie ist nicht nur ihre Anhängerin, sie ist auch ihre Freundin;
und ihr geht es um das Wohl der vielen Menschen, die auf Renate hoffen.
Sie soll nicht alles Mögliche tun, darf einiges anderen überlassen
und ihrem Urteil viel zutrauen. Sie soll wissen, daß die Zukunft
der Lehre vom Lastenausgleich nicht von ihrem pausenlosen Diensteifer
abhängt. Renate darf getrost darauf vertrauen, daß andere
in ihrem Sinne Lasten tauschen werden. Und so tat sie es auch!
Renanata!
Dr. Peter Renz, Stuttgart
2. Zeittafel zur Renatistengeschichte
Wir wurden mehrfach darauf hingewiesen, daß wir als studierte
Renatiker heutzutage nicht mehr voraussetzen können, daß
die breite Bevölkerung die Daten des Renatismus noch allgemein
präsent hat. Deshalb soll hier zur besseren zeitgeschichtlichen
Einordnung der vom Renate-Ceryx-Team derweil behandelten Fragestellungen
ein chronologischer Überblick über die renatistengeschichtlich
relevanten Ereignissen vom Tode Renates bis in unsere Zeit gegeben
werden. Wir folgen hierin der überarbeiteten Zusammenstellung
von Professorin Dorothea Söller-Bolkonski im zweiten Band der
Renatika-Neuausgabe.
2000
Renatistenfeindliche Logistiker halten sich zu den Lakariern.
22. Mai: Renate wird durch Lakarier ermordet.
Erste große Spaltungswelle unter den Logistikern.
Erste Renatistenversammlungen bilden sich in den deutschen Großstädten
und in Puppenlappen.
2001
Prozeß gegen die Lakarier, die Renate ermordet haben, führt
zu deutschlandweiten Aushebungen von paramilitärischen Lakariereinrichtungen.
Dennoch kommt es zu verhältnismäßig milden Urteilen.
Vorwürfe kommen auf, daß die Justiz von prolakarischen
Logistikern unterwandert sei.
In den Renatistenversammlungen werden einstige Freunde und Bekannte
von Renate tonangebend.
Reger Briefaustausch zwischen den Versammlungen entwickelt sich.
2009
Große Spaltung in der Organisation der Lakarier. Ihre militante
Gruppe bildet die Neo-Lakarier.
Die Renatisten gewinnen auch in den ländlichen Teilen Deutschlands
durch sog. Lastenausfahrten verstärkt Anhänger.
bis 2013
Ständige bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen,
bei denen die sog. Ortholakarier, zu denen sich die sog. Rechtslogistiker
hingezogen fühlen, systematischen Massakern durch die Neo-Lakarier
zum Opfer fallen.
Die renatistischen Logistiker gehen langsam in den Renatisten auf
und entgehen somit der Verfolgung durch die Neo-Lakarier. Da die Renatisten
völlig unpolitisch und gewaltfrei sind, stellen sie für
deren Ziele noch keine Gefahr dar.
2014-2019
Nachdem die Ideologie der Neo-Lakarier für kurze Zeit auf andere
europäische Länder übergreift, gelingt ein umfassendes
Verbot durchzusetzen. Damit werden diese jedoch in den Untergrund
getrieben und verlagern ihre Operationsbasen zum Teil nach Lateinamerika.
Das stärkt den von außen unkontrollierbaren Ausbau ihrer
Organisation und Administration.
Die Leiter der örtlichen Versammlungen schreiben vor dem Hintergrund,
daß einige enge Freunde Renates bereits verstorben sind, vor
allem Mahn- und Lehrbriefe, die an die Ursprünge der renatistischen
Idee erinnern.
Die Versammlungen tauschen untereinander Kopien dieser Briefe sowie
von Episoden aus Renates Leben (vorzugsweise per E-mail) aus.
Mittlerweile hat sich in Deutschland wieder eine rechtslogistische
Struktur entwickelt, unter deren Deckmantel sich viele Neo-Lakarier
sammeln. Als deren Anführer Arnold von Naparte-Braun aus seinem
Exil in Blumenau/Brasilien nach Europa zurückkommt, gelingt es
ihm binnen kurzem, die Macht in Deutschland an sich zu reißen.
Wegen ihrer Gewaltlosigkeit und großen Beliebtheit, empfinden
die Neo-Lakarier die Renatisten als Bedrohung. Eine erste systematische
Renatistenverfolgung setzt ein.
ab 2019
Die sog. Zeit des Stillstandes unter der Herrschaft der Neo-Lakarier
führt zur schrittweisen Einschränkung aller Korrespondenzwege
und des Informationsaustausches. Beginnend bei der Rohrpost, sind
am Ende sogar private Reisen verboten. Ziel ist, den freien Gedankenaustausch
zu unterbinden und somit organisierte Aktionen gegen die Neo-Lakarier
unmöglich zu machen.
Alle Freunde Renates und die meisten anderen Versammlungsleiter werden
mit dem Ziel, die Renatisten in ihren Strukturen tödlich zu treffen,
inhaftiert. Es gelingt jedoch, den Kontakt unter den Versammlungen,
sowie durch geschmuggelte Briefe mit den Leitern aufrechtzuerhalten.
Immer mehr Episoden aus Renates Leben tauchen auf, werden von Ort
zu Ort getragen und sind vielfältigen Veränderungen ausgesetzt.
Den Lakariern bleibt dies nicht verborgen. Sie verbieten nicht nur
die Versammlungen, sondern greifen zu bewußten Geschichtsfälschungen.
Immer mehr Episoden mit einem negativen Renate-Bild (als Alkoholikerin
oder Nymphomanin) tauchen auf.
Verschiedene Renatiker reagieren darauf und auf die zunehmende Inflation
positiv überzeichneter Renate-Episoden durch Zusammenstellung
von als authentisch geltenden Erzählungen (vgl. VitRen, Q).
2025
Nach Absprache des aus Deutschland emigrierten Europakanzlers mit
der Weltkulturorganisation der UNO wird in einem paneuropäischen
Blitzkrieg erstmalig die K-Bombe auf den Berliner Dom abgeworfen.
(Die K-Bombe [Kulturdenkmalbewahrungsbombe] verursacht lediglich im
unmittelbaren Einschlagsbereich eine Vernichtung der Bebauung. Ihre
Wirkstoffe töten danach in einem Umkreis von über 50km jede
Art von Lebewesen. Die frühen K-Bomben waren jedoch noch nicht
ganz ausgereift, so daß Spätschäden auch an totem
organischen Material - wie Bauhölzern - auftraten.) Damit werden
in der Hauptstadt alle lakarischen Anführer getötet.
Durch die K-Bombe sterben auch alle in Berlin inhaftierten Versammlungsleiter.
Damit gewinnen die Zusammenstellungen von Renate-Episoden für
die Versammlungen immer größere Bedeutung.
In den übrigen Teilen Deutschlands kommt es zu massiven Rachefeldzügen
gegen Neo-Lakarier. Tonangebend sind hierin die VERTRANS (die bereits
im Untergrund gebildete Vereinigte Transportgewerkschaft) und die
Postgewerkschaft.
Allmählich bilden sich Kriterien heraus, die die Auswahl der
Schriften bestimmen. Für die Briefe gilt hierbei früh der
Grundsatz, daß sie von Menschen stammen müssen, die Renate
bereits zu ihren Lebzeiten gekannt haben. So bleiben die pseudepigraphen
Susannebriefe in Anerkennung
Der nach dem Ende des Stillstandes schier inflationären Verbreitung
von Episoden aus Renates Leben soll damit Einhalt geboten werden,
daß nur noch bestimmte Zusammenstellungen für den Versammlungsgebrauch
als verbindlich erklärt werden. Aus diesen Bemühungen heraus
entwickelt sich die Exegetische Renatik. In einer Tagung von Delegierten
aus fast allen Versammlung werden hierzu Grundsätze erarbeitet.
In den Kanon werden nur noch Schriften aufgenommen, die bereits früh
bezeugt sind und bestimmten angesehenen Persönlichkeiten zugeschrieben
werden. So gilt Michael Wohlmeyer als Autor der VitRen, da 1Nuß
5 sehr ähnlichen Wortlaut aufweist. EvFrei gilt als von Ruth
verfaßt, weil diese darin als Freundin Renates neben Susanne
relativ häufig Erwähnung findet. Zu EvFrank existiert eine
Legende, wonach Renate selbst dem Autor den Auftrag gegeben habe,
es zu verfassen.
ab 2026
Um sowohl weitere Lynchjustiz als auch ein erneutes Aufkommen (neo-)
lakarischer Ideologien zu verhindern, werden dessen Anhänger
hingerichtet und alles, was an diese erinnert, systematisch ausgerottet.
Beginnende innerreatistische Streitigkeiten, wie mit der Vielzahl
verschiedener Aussagen über Renate umzugehen sei. Erste Ansätze
zur späteren Systenatik bilden sich, die ein einheitliches Lehrgebäude
zu erstellen versuchen.
Die großen Hinrichtungswellen führen dazu, daß immer
mehr Denunziationen aufkommen, da viele hierin eine Möglichkeit
erblicken, Gegner auszumerzen. Am medienträchtigsten ist der
»Knallerbsenstrauchskandal«, bei dem eine psychopathische
Nachbarin eine siebenköpfige Familie aus nichtigen Gründen
der Guillotine auslieferte.
Die Renatisten vermögen den Gewalttendenzen nur ungenügend
Einhalt zu gebieten, was ihrem Ansehen zum Teil schadet.
2037
Durch die ständig möglichen Denunziationen lebt das Land
in Angst und Schrecken. Fast das gesamte Staatshandeln kommt zum Erliegen.
In dieser Situation wird die Renatistin Constance zur Autokratin.
Sie nimmt allem Volk die Lasten und schafft somit wieder Vertrauen
und ein Ende der schrecklichen Zeit.
Dadurch, daß die höchste Person im Staat selbst Renatistin
ist, erlebt der Renatismus einem erheblichen Aufschwung.
Gleichzeitig bilden sich feste Versammlungs- und Organisationsstrukturen
heraus. Der Renatismus wird analog zu den constancischen Herrschaftsstrukturen
immer hierarchischer. Männer werden aus ihren Ämtern verdrängt.
Der Versammlungsleiterin in Renates Geburtsstadt Puppenlappen kommt
als Supraversammlungsleiterin immer stärker das Primat zu. Ihr
unterstehen am Ende dieser Entwicklung die Hyperversammlungsleiterinnen,
diesen die Generalversammlungsleiterinnen, diesen die Oberversammlungsleiterinnen
und diesen wiederum die Versammlungsleiterinnen. Den einzelnen Versammlungsmitgliedern
kommt kaum noch ein Mitspracherecht zu.
ab 2037
An den Universitäten entstehen erste Lehrstühle für
Renatik. Zunächst ist es uneinheitlich, an welcher Fakultät
dieser angesiedelt wird. In Berlin ist er zeitweilig sogar dem Forschungsbereich
für Frauenfragen an der Landwirtschaftlich-gärtnerischen
Fakultät angegliedert, weil sich Philosophie I und III nicht
über ihre Zuständigkeit einigen können. Erst als die
renatikischen Fachbereiche sich in Exegetische Renatik, Renatistengeschichte,
Systenatik und diverse Nebenfächer (u. a. Logistikforschung)
spalten, wird in Berlin eine eigene Renatikische Fakultät gegründet,
worin andere Universitäten allmählich nachziehen.
Die vielfältigen Bemühungen, aus gefälschten Schriften
den ursprünglichen Gehalt zu rekonstruieren, glücken selten,
da nicht immer eine tatsächliche renatistische Schrift voraussetzbar
ist
Großer systenatischer Streit, inwieweit die sog. apokryphen
Schriften für ein renatikisches Lehrgebäude den kanonischen
gleichzusetzen seien.
2041
Constance I. läßt eine Tagung in Berlin einberufen, an
deren Ende die sog. Apokryphiker verdammt werden.
Der Kanon der anerkannten Schriften (Lebensbeschreibungen und Briefe)
wird unter dem Titel »Renatika« zusammengefaßt und,
mit Überschriften sowie einer Kapitel- und Verseinteilung versehen,
erstmals als zusammenhängendes Werk ins Internet gestellt. Damit
geraten die übrigen Renate-Erzählungen zunehmend außer
Gebrauch und (bis auf den Clementinebrief) in Vergessenheit.
Constance I. führt Regelungen ein, die faktisch ein Promotionshindernis
und Habilitationsverbot für Männer in den renatikischen
Studienfächern bedeuten.
2117
Neue große systenatische Streitigkeiten um die rechte Lehre
vom Lastenausgleich kommen auf und führen zu Parteienspaltungen.
2160
Erste Untersuchungen, wonach auch die kanonischen Schriften nicht
immer den historischen Tatsachen entsprechen.
ab 2163
Die Positionen zwischen den sog. Neuexegeten und den Orthosystenatikern
verhärten sich. Als Folge entstehen verschiedene Bekenntnisformeln,
von denen der durch Leo Pold, dem Sohn des großen Dr. Leo Polds,
herausgegebene »Große Segen Renates« (volkstümlich
»Kleiner Katechismus Dr. Leo Polds« genannt) am bekanntesten
wird.
Am Ende dieser Entwicklung stehen sich die neuen neuexegetisch-poldeïschen
den orthosystenatisch-puppenläppischen Versammlungen unversöhnlich
gegenüber. Erstere lösen sich von der Supraversammlungsleiterin
in Puppenlappen, sind jedoch gezwungen, statt dessen das Primat der
Enkelin Constances I. - Constantina-Friederike I. - auch in Fragen
des Renatismus für sich anzuerkennen.
2170
In Abgrenzung zum festgefahrenen exegetisch-systenatischen Streit
gründet Baronin von Zitzewitz auf ihrem Gut die Renatuther Brüderversammle.
Sie denkt, die Spaltungen dadurch zu überwinden, daß sie
ganz an die Anfänge des Renatismus anknüpft und einen Lastenausgleich
aus der Innerlichkeit heraus propagiert. Dieses Ansinnen wird als
sog. Renapismus bezeichnet. Dabei wird das Wort gemeinhin falsch gedeutet,
weil in Anknüpfung an ursprüngliche Praktiken auf Grund
von EvFrei 5,24-29 in diesen Versammlungen das Initiationsritual aus
einem Ganzkörperbad im Urin aller Versammlungsmitglieder besteht.
In Wahrheit ist der Namen dem Griechischen entlehnt und bedeutet »Vertrauen
auf Renate« (pistis = Vertrauen).
ab 2209
Als Bewegung gegen die Einmischung des Staates in Fragen des Renatismus
begründet die durch den Zeitgeist der Ramontik (benannt nach
Ramon Dorkas) beeinflußte Professorin Friederike Daniela Tuchweber
(2168-2234) die Liberale Renatik. Sie gilt auch als Initiatorin der
Praktischen Renatik. Ihrer Grundauffassung nach sei der Mensch von
Natur aus ein renatistisches Wesen. Es gehöre zur Anthropologie,
daß der Mensch ein Lastengefühl habe und dies ausgleichen
möchte. Renatik sei weder ein logistisches noch ein systenatisches
Gedankengebilde.
Zu einer der bedeutendsten Vertreterinnen gegen Ende der Liberalen
Renatik gehört Adele von Hartnäckig (2251-2330). Als Professorin
für Renatistengeschichte vertrat sie einen unsystenatischen Pragmatismus,
wenngleich ihr starke Antilogistik nicht abzusprechen ist. Zu ihren
Hauptschriften zählt »Renate, die Mutter, und der unendliche
Wert des Lastenausgleichs«.
2314
In Abgrenzung zur festgefahrenen Liberalen Renatik entwickelt sich
die sog. Dialektische Renatik. Allerdings birgt sie von Anfang an
keine einheitlichen Lehrströmungen. Besonders deutlich wird dies
am Problem um die logistische Renatik. Dabei ging es um die Fragestellung,
inwieweit in Aussagen der Logistiker bereits Lehren der Renatik enthalten
und für diese als relevant zu erachten seien.
2323
Die unterschiedlichen Auffassungen werden nahezu unüberbrückbar,
als Carola Damenbarth (2286-2368) ihre programmatische Schrift »Nein!«
veröffentlicht. Danach haben als Grundlage für die Renatik
allein die als verbindlich anerkannten Renate-Schriften zu gelten.
Zwar heißt es in 1Nuß 1,14, daß auch die Logistiker
vieles von den Lehren und Prophezeiungen Renates verstehen, dennoch
dürfen logistische Auffassungen nicht Gegenstand der Renatik
werden. Später modifiziert sie diese Meinung (z. B. durch die
Schlichterlehre), hält aber daran fest, daß die Wege zum
wahren Lastenausgleich allein in den kanonischen Schriften offenbart
seien.
Dagegen meint die durch C. Damenbarth beeinflußte Editha Bonnfer
(2306-2345), daß der Mensch als Denkender selbstverständlich
auch einer Logik unterworfen sei. Dies biete durchaus einen Anknüpfungspunkt
für die logistische Renatik.
2333
Die letzte Nachfahrin Constances I. stirbt kinderlos. Die von ihr
als Nachfolgerin eingesetzte Julia Karola bricht mit dem Prinzip der
Autokratie und führt eine demokratische Verfassung ein, die sie
nur noch repräsentatives Staatsoberhaupt sein läßt.
2333-2345
Daraus entwickeln sich innerhalb des neuexegetisch-poldeïschen
Renatismus schwerste Spaltungen in die sog. Bodenständigen Renatiker
(BR) und die Constancischen Renatiker (CR). Für die BR gilt der
Renatismus als unabhängig von jeder Staatsform, was auch in den
Anfängen begründet sei. Zu ihnen gehören u. a. Carola
Damenbarth und Edith Bonnfer. Zunächst haben die CR, die massiv
für die Restauration einer renatistischen Autokratie kämpfen,
die zahlenmäßig größere Anhängerschaft,
bis E. Bonnfer einem CR-Anschlag zum Opfer fällt. Dies erschüttert
zutiefst die lastenausgleichende Glaubwürdigkeit der CR. Sie
können sich mit ihren politischen Forderungen nicht durchsetzen.
ab 2345
Nachdem die Anhänger der BR ihren Sieg davongetragen haben, werden
an den Universitäten die einstigen CR-Anhänger ausgegrenzt,
und es entwickelt sich ein ausgesprochener BR-Totalitarismus, der
jede abweichende Lehrmeinung unterdrückt und sich extrem pro-damenbarthisch
gibt.
Diese offizielle Abkehr von den CR kann jedoch nicht verhindern, daß
die neuen, renatefeindlichen Machthaber beginnen, jeden Renatismus
zu unterdrücken. Alles, was an Renate erinnert, wird aus dem
Staatshandeln verbannt, Renatismusunterricht an den Schulen verboten,
die Ausübung des Lastentausches ins Private gedrängt.
ab 2350
Immer mehr vergessene Schriften über das Leben Renates (Apokryphen)
werden wiederentdeckt. Damit taucht auch wieder die Frage nach dem
alleinigen Offenbarungscharakter der Renatika auf, zumal deren Tatsachenwert
immer mehr angezweifelt wird.
Die exegetische Renatikprofessorin Rudolfa Pultfrau entwickelt die
Auffassung, wonach für die Lehre vom Lastenausgleich allein die
in den Schriften bezeugte kerygmatisch offenbarte Renate und nicht
eine nur unzulänglich zu rekonstruierende »historische«
Renate relevant sei.
ab etwa 2365
Die renatistische Ethikerin Wolfhild Plattenberg entwickelt einen
vom Damenbarthismus unabhängigen, stark an die ramontische Logistik
Georgina Häkels (2170-2231) orientierte Systenatik. Ihr Ansatz
ist sehr universalistisch, meint aber, daß das rechte Verhältnis
zum Lastenausgleich untrennbar am Verhältnis zu Renate hänge.
Dies vermag allerdings nicht zu verhindern, daß immer mehr Kinder
ohne jede Bindung zum Renatismus heranwachsen.
2366
Das bereits faktisch nicht mehr beachtete Studienverbot der Renatik
für Männer wird offiziell auch hinsichtlich des von Constance
I. eingeführten Promotionshindernisses und Habilitationsverbots
aufgehoben.
In den neuexegetisch-poldeïschen Versammlungen können nunmehr
auch studierte Männer Versammlungsleiter werden. Die orthosystenatisch-puppenläppischen
Versammlungen verhindern dies noch heute.
ab 2380
Im sog. Zeitalter der Postermoderne (benannt nach dem US-amerikanischen
Soziologen Nil Posterman) verschwimmen alle Formen fester Lehrmeinungen.
Renatiker wie Wilmina Grabstein (Professorin für Praktische Renatik
an der Vereinigten Universität zu Berlin - VUB) erklären
C. Damenbarth für den größten Irrtum des 24. Jahrhunderts
und versuchen, auf die Zeit Tuchwebers zurückzugreifen. Andere
- wie Bob Sabinus, Universität zu Sprottenheim - gehen dagegen
konsequenter auf den Zeitgeist ein und geben gänzlich neue Impulse.
fs / bä
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