FEBRUAR
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2004
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Lille 2004:
Ein Jahr Kultur pur
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Installation in Lille anlässlich des Kulturjahres |
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Ganz im Norden Frankreichs, fast an der Grenze zu Belgien liegt eine Stadt, die nicht selten unterschätzt wird. Hartnäckig halten sich Vorstellungen von einer tristen Industriestadt. Doch wer einmal dort war, wird sich vom Gegenteil überzeugen können. Die Rede ist von Lille und dieses Jahr trägt die Stadt zusammen mit Genua den Titel der Kulturhauptstadt Europas. Tatsächlich hat Lille eine wechselvolle Vergangenheit hinter sich. Historische Gebäude zeugen von den Einflüssen des flandrischen Adels, andererseits gehört genauso die Zeit als französische Industriemetropole für Textilien, Kohle und Stahl des 19. Jahrhunderts dazu, in der solches Elend herrschte, dass Victor Hugo von den "Kellern von Lille, unter deren Steingewölben die Menschen sterben" sprach. Und in der Tat hat es einige Jahrzehnte gedauert, bis sich die Stadt vom Zusammenbrechen dieser Industriezweige im letzten Jahrhundert erholt hatte. Heute ist sie ein wichtiges Standort für Versandhandel, Agrarprodukte und Chemieindustrie. Die nach Paris, Lyon und Marseille immerhin viertgrößte Stadt Frankreichs rückte außerdem in den letzten Jahre dank der guten Verkehrsanbindung nach Brüssel, London und Paris durch Schnellzugstrecken immer mehr ins Zentrum Europas. Doch der Stadtkern ohne die Vororte ist relativ überschaubar und die seit den siebziger Jahren renovierten Gässchen der Altstadt, das Vieux Lille, mit den vielen kleinen Läden und kleinen Restaurants, die typische deftige Gerichte, wie die Tarte aux maroilles (eine Tarte mit einem Käse der Region) oder die Carbonnade (ein Fleischgericht mit einer besonderen Biersauce) auf ihrem Menu du jour stehen haben, laden zum bummeln ein. Auf der anderen Seite findet man an der Grand' Place auch herrschaftliche historische Gebäude wie die alte Börse und das ehemalige Chambre de Commerce mit dem Beffroi, dem typisch flandrischen Backsteinturm. Einen modernen Akzent setzt dagegen der Euralillekomplex, der den neuen Bahnhof, ein großes Einkaufszentrum und Bürogebäude vereinigt. Seit Dezember 2003 ist Lille nun auch noch für ein Jahr Kulturhauptstadt Europas. Zusätzlich zum normalen Kulturangebot (das Musée des Beaux Arts ist z.B. das zweitgrößte Frankreichs) finden nun am laufenden Bande Kunstprojekte, Lesungen, Ausstellungen, Filmreihen, diverse Festivals, Konzerte, Theater- und Tanzaufführungen statt. Mit den sogenannten Maisons de Folie wurden eigens 12 neue Veranstaltungsorte an bis dato unbeachteten Plätzen, wie z.B. alten Fabrikhallen geschaffen. Das Projekt "Métamorphoses" soll Strassen, Fassaden und Gebäude in ihrem Aussehen verändern und einen ganz neuen Blick auf die Stadt gewähren. Darunter die etwas futuristisch-kitschig wirkende Installation mit dem Titel "Der Weg der Sterne" (s. Bild) auf einer der großen, auf den Bahnhof zulaufenden Straßen. Um bei einem eventuellen Besuch in Lille, der sich übrigens auch unabhängig von den derzeitigen Aktivitäten sicherlich lohnt, von der Fülle der Veranstaltungen profitieren zu können, werden Tages- und Jahreskarten mit Vergünstigungen bzw. kostenlosem Eintritt verkauft. Die Idee, jedes Jahr mindestens eine Kulturhauptstadt in Europa auszurufen entstand 1985 auf die Initiative Griechenlands und wird seitdem jährlich mit einem gemeinschaftlichen Auswahlverfahren der EU verwirklicht. Für die Bewerberstädte besteht natürlich der Anreiz größere Bekanntheit zu erlangen und davon langfristig auch wirtschaftlich zu profitieren. Gleichzeitig ist es eine Herausforderung ein kulturelles Rahmenprogramm zusammenzustellen und, wenn auch mit Unterstützung der EU, zu finanzieren. Bleibt zu hoffen, dass es gelingt damit einen Beitrag zum besseren Verständnis unter den Bürgern Europas zu leisten und die Vielfalt des kulturellen Erbes zu zeigen und zu bewahren. bk |