OKTOBER
2005

 
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Wer so alles Deutschland ist

 

Siehe auch:
www.du-bist-deutschland.de

"Du bist Deutschland" gilt als eine der größten Medienkampagnen, die sich jemals über diese Republik ergossen haben. Erklärtes Ziel ist es, ein positives Bild von Deutschland zu vermitteln und dem typisch deutschen Alltags-Pessimismus den Kampf anzusagen. Sozusagen eine Art Fortsetzung der berühmten wie erfolglosen "Ruck"-Rede von Roman Herzog.

"Social Marketing" nennt sich das und wird laut Wikipedia wie folgt definiert: "Durch Social Marketing soll die Akzeptanz von gesellschaftlich erwünschten Einstellungen und Verhaltensweisen dauerhaft gefördert, unerwünschte Verhaltensweisen sollen geächtet werden. ... Social Marketing setzt an, wo die Instrumentarien von Regierung, Gesetzgebung und Verwaltung an ihre Grenzen stoßen, und wird daher oft durch gesellschaftliche Interessengruppen, privatwirtschaftliche Unternehmen und Medien im Verbund mit staatlichen bzw. supranationalen Institutionen betrieben."

Mit von der Partie ist dabei in diesem Fall so ziemlich jeder Prominente der Republik, sowie einige "Normalbürger". Zusammen treten sie in Fernsehspots zur besten Sendezeit und in Anzeigen in den Printmedien auf. Von Medienunternehmen wurde dazu Sendezeit im Wert von insgesamt 30 Millionen Euro freigestellt. Jeder Deutsche wird dadurch innerhalb der 4 Monaten die die Kampagne dauert angeblich durchschnittlich 16 Mal angesprochen. Es gibt folglich offenbar kein Entkommen.

Das Manifest der Kampagne spricht dabei viele Aspekte deutschen Lebens an:

Chaostheorie:
"Ein Schmetterling kann einen Taifun auslösen. Der Windstoß, der durch seinen Flügelschlag verdrängt wird, entwurzelt vielleicht ein paar Kilometer weiter Bäume".

Nationalismus:
"Wieso schwenkst du Fahnen, während Schumacher seine Runden dreht? Du kennst die Antwort: Weil aus deiner Flagge viele werden und aus deiner Stimme ein ganzer Chor."

Binsenweisheiten:
"Unsere Zeit schmeckt nicht nach Zuckerwatte." (= Kein Schwanz wird so hart wie das Leben)

Bekenntnis zu PS-strotzenden deutschen Limousinen und dem Geschwindkeitsrausch:
"Geh runter von der Bremse. Es gibt keine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Deutschlandbahn."

Patriotismus a la Kennedy:
"Behandle dein Land doch einfach wie einen guten Freund. Meckere nicht über ihn, sondern biete ihm deine Hilfe an." (= Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst.)

Und viel esoterisches Gedöns:
"Du bist der Laden. Du bist die Flügel, du bist der Baum usw." (= Spüre den Baum, werde eins mit dem Baum.)

Insgesamt unglaublich krude und abgedreht. In Zeiten von Sozialabbau und steigender Arbeitslosigkeit bekommt die Sache natürlich auch einen deutlichen Geschmack von "Opium fürs Volk". Doch auf den durchschnittlichen Hartz-IV-Empfänger muss es vermutlich wie Hohn klingen, wenn gutverdienende Fußballstars und Fernsehmoderatoren ihm zu erklären versuchen, dass doch alles gar nicht so schlimm ist.

Klar, dass so viel Stumpfsinn auch eine Steilvorlage für Spott und Häme bietet. So frotzelte Telepolis in gleich drei Artikeln über die Kampagne (26.09., 27.09., 28.09.). Bei Spreeblick.com rief Johnny eine Mitmach-Kampagne ins Leben. Das Resultat ist ein Flickr Pool, bei dem Leute Parodien der offiziellen Kampagneslogans präsentieren, und der inzwischen so beliebt ist, dass er bei einer Google Abfrage noch vor der offiziellen Kampagnen-Website gelistet wird.

Das beginnt bereits beim offiziellen Logo, das nicht nur frappierende Ähnlichkeit mit einem Hundehaufen sondern auch mit dem Logo der Olympischen Spiele 1992 in Barcelona hat. Aber natürlich müssen auch Josef Ackermann, Sabine Christiansen, Heckler & Koch, der verrückte Frosch, Angela Merkel und noch viele andere herhalten.

nw