Rhea war die Gemahlin des Kronos und Mutter des Aïdes,
Poseidon und Zeus, sowie der Hestia, Demeter und Hera. Allerdings tritt
ihre Verehrung vor anderen Gottheiten deutlich zurück, und so kommt
es, daß ihr Kult schon früh mit dem der ursprünglich
asiatischen Göttin Kybele verschmolzen ist.
Als Mutter des gesamten neuen GöttInnengeschlechts wurde sie als
in abgelegenen Gebirgen wohnend gedacht. Umgeben von wilden Tieren des
Waldes, besonders Panthern und Löwen, thronte sie in der Wildnis
der Urwälder, und ihre Anhänger verehrten sie in wilden, aufgeregten
Bräuchen als die Mutter der Natur. Besonders die Phrygierer, ein
altes und hochgebildetes Volk in Kleinasien, hatten den Kultus der Rhea-Kybele
ausgebildet. Sie sahen in ihr nicht nur die GöttInnenmutter, sondern
auch die Schöpferin des Acker- und Weinbaues, sowie die Gründerin
der ersten Städte und Burgen. Daher deckt auch eine Krone, ähnlich
einer Zinnenmauer, ihr Haupt.
Viele Sagen knüpfen sich um die Göttin. Als Rhea war sie Tochter
des Uranos und der Gaia, des Himmels und der Erde. Als Kybele galt sie
als Tochter eines phrygischen Fürsten namens Maion, der sie bald
nach der Geburt aus Unmut darüber, daß sie kein Knabe war,
auf den Bergen ausgesetzt hatte. So galt eine Höhle bei Pessinus
in Phrygien als das älteste Heiligtum der Göttin. Kybele wurde
von wilden Tieren gestillt, bis sie von Hirten gefunden und erzogen
wurde. Ihre Schönheit und Klugheit machte sie bei allem Volke beliebt.
Als sie sich dann mit dem jungen Attis verband, geriet ihr Vater, der
sie (wie auch immer) wiedererkannt und bei sich aufgenommen hatte, in
solchen Zorn, daß er Attis töten ließ.
Kybele verfiel über diesen Verlust in einen solchen Schmerz, daß
sie die Einsamkeit suchte und am liebsten unter einer Fichte verweilte,
in der sie ihren Liebling verwandelt glaubte. In ihrer Abgeschiedenheit
von den Menschen soll sie eine eigene Art von Handpauken, Cymbeln, und
Flöten erfunden haben. Unter deren lärmender Musik durchzog
sie dann die umliegenden Länder wie im Zustand der Raserei, begleitet
vom Silen Marsyas. Das Gebirge durchstreifend, bändigte sie das
stärkste und wildeste Tier - den Löwen! Vorzugsweise war ihr
die Fichte heilig, aber auch das Veilchen, der Frühlingsbote, das
dem Blute des Geliebten entsprossen sein solle.
In ihrer gottesdienstlichen Verehrung fanden sich viele Eigentümlichkeiten
der kleinasiatischen Völker. Mit wildem Geschrei, aufregender Musik
bei Tage und flammenden Fackeln bei Nacht durchschwärmten ihre
Priester und ihre begeisterten Anhänger Wälder und Gebirge;
ja, soweit ging der Taumel, daß sie sich zur Ehre der Göttin
selbst verwundeten und verstümmelten; zur Erinnerung an den Schmerz,
den Rhea erleiden mußte, als sie sah, wie ihre geliebten Kinder
von ihren eigenen Vater Kronos verschlungen wurden - aber auch zur Erinnerung
an den Kummer der Kybele über den Tod des Attis.
So verwundert es nicht, daß ihre wilde Verehrung später fast
ganz im Kult des Dionysos aufging.
bä
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