NOVEMBER
2003

 
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"Herr Lehmann "
"Herr Lehmann"
Buch: Sven Regener, Regie: Leander Haußmann
D, 2003

Frank Lehmann hat keine Sorgen. Noch nicht. Er ist zufrieden mit seinem nächtlichen Leben hinter dem Tresen einer Kneipe in West-Berlin und dem täglichen Schlaf, mit seinen Freunden und ohne irgendwelche Verantwortung außer für sich selbst.

Bis er eines Tages um zehn Uhr morgens – wenige Stunden nach Feierabend – vom Telefon geweckt wird und seine Mutter ihm den baldigen Besuch seiner Eltern ankündigt. Von diesem Moment an läuft alles aus dem schon ziemlich eingerosteten Ruder. Verwirrt geht er in eine der Kneipen seines Chefs und bestellt Schweinebraten zum Frühstück, was nicht nur zu einer Auseinandersetzung, sondern gleich zu einer Beziehung mit der neuen Köchin Kathrin führt. Dann muß er nicht nur seinen Eltern, stereotypen, in den 1960er Jahren hängengebliebenen westdeutschen Spießbürgern, ein erfolgreiches Leben vorspielen – zu allem Überfluß schicken sie ihn rüber nach Ost-Berlin zu seiner Tante, Geld bringen. Natürlich ist das nicht so einfach wie gedacht. Nicht genug, daß während des stundenlangen (originalgetreuen!) Verhörs die allein eingereiste Kathrin während des Wartens dem schüchternen, einsamen „Kristall-Rainer“ begegnet und beide sich näherkommen; bei der Rückkehr in den Westen wird auch noch sein bester Freund Karl verrückt.

Herr Lehmann ist wie ein Fenster in die nicht allzu ferne Vergangenheit der eingemauerten Stadt. Der Kontrast zwischen dem durch die Eltern repräsentierten, im Kalten Krieg erstarrten Westen und dem von den verhörenden Offizieren der Grenztruppen (überragend in dieser Rolle Thomas Brussig, Verfasser des erfolgreichen Buches und Theaterstücks „Helden wie wir“) verkörperten, nicht weniger erstarrten Osten sowie die lapidaren Dialoge („Wo trifft man sich denn im Osten?“ - „ ... Weltzeituhr!“ - „Wo?“ - „Keine Ahnung. Im Osten trifft man sich immer an der Weltzeituhr.“), auch das Ende einer Beziehung im Dönerladen unter der Kreuzberger U-Bahn, unterstreichen den geradezu familiären Inselzustand des eingekeilten Berliner Westens am Ende des Kalten Krieges. Auf diese aussichtslose Festgefahrenheit kann schließlich nur noch der Zusammenbruch folgen.

Herr Lehmann dümpelt seltsam vor sich hin, zeigt ein ereignisloses Leben voller Ereignisse bis hin zum dreißigsten Geburtstag des Protagonisten in einem Film ohne Protagonisten, dem 9. November 1989, dem absurden Höhepunkt eines Films ohne Höhepunkte. Dennoch hat dieser „gesamtdeutsche“ Film (eines Regisseurs aus dem deutschen Osten und nach dem Buch eines Musikers aus West-Berlin) dem Leben im Westen der geteilten Stadt ein rührendes Denkmal gesetzt – und sicherlich ein realistischeres als sein Gegenstück Sonnenallee dem Leben auf der anderen Seite.

mp