Lange mußten seine Fans auf ein neues Buch warten. Armistead
Maupin ist seit dem Welterfolg seiner Stadtgeschichten (Tales
of the City) zum Kult-Autor avanciert. Mit The Night Listener
legt er nach über 8 Jahren (seit Die Kleine (Maybe
the Moon)) wieder einen neuen Roman vor, der starke autobiografische
Züge hat.
Gabriel Noone ist Schriftsteller mit einer eigenen Radiosendung in
San Francisco. Nachdem er von seinem Partner Jess verlassen wurde,
verfällt er in Schwermut und ist in seinem Schreiben mehr als
blockiert. Jess ist ausgezogen, nachdem er die Auswirkungen seiner
HIV-Infektion durch Medikamenten-Cocktails in den Griff bekam und
neue Lebensperspektiven suchte. Wer Patrick Gales Biografie (siehe
unten) über Armistead Maupin studiert, wird Parallelen zu
dessen langjährigen Partnerschaft mit Terry Anderson entdecken.
Ihm ist auch dieser Roman gewidmet.
Eines Tages erhält Gabriel Noone von seinem Verleger das Manuskript
eines jungen Autors. Der 13 jährige Pete Lomax verarbeitet darin
seine traumatische Kindheit. Bereits im Alter von vier Jahren wurde
er von seinem Eltern und einem pädophilen Ring missbraucht. Seit
er sich von diesem grauenhaften Elternhaus befreien konnte, lebt er
nun mit seiner Pflegemutter Donna Lommax, einer Psychologin, im Mittleren
Westen. Aber der junge Pete
ist deutlich von einer AIDS-Erkankung gekennzeichnet. Die Radiosendungen
Gabriel Noones waren ein entscheidender Lichtblick im Leben des Kindes,
neuen Lebensmut zu finden. Zwischen dem altklugen Jungen Pete und
seinem Radio-Idol Gabriel Noone entwickelt sich übers Telefon
eine skurrile "Vater-Sohn-Beziehung", in der beide Protagonisten
voneinander lernen und reifen. Der Plot könnte leicht zu einer
pathetischen Herz-Schmerz-Seifenoper abgleiten, doch mit viel erzählerischem
Geschick gelingt es Maupin, einen besonderen Spannungsbogen aufzubauen,
der das Buch zu einem wahren Thriller werden lässt.
Die Beziehung zwischen Noone und dem Jungen Pete entwickelt sich zu
einem Drahtseilakt, in dessen Verlauf Noone all seine Lebensbeziehungen,
sich selbst und die Realität als solches in Frage stellen muss.
Noone muss sich nicht nur mit seinem Ex-Partner Jess, sondern auch
mit seinem Vater auseinandersetzen. Auch hier finden sich zahlreiche
Parallelen zu Maupins eigener Biografie.
Und auch die Fans der Stadtgeschichten kommen im Kapitel "Giving
up the Ghost" auf ihre Kosten. Ein wahrlich spannendes Buch
nicht nur passend zum Welt-Aids-Tag oder vorweihnachtlicher Gefühlsduselei.
Für hartgesottene Stadtgeschichten-Fans an dieser Stelle noch
die Anmerkung: Der dritte Band ist im Mai diesen Jahres bereits in
den USA verfilmt worden - wieder mit Olympia Dukakis und Laura Linney
in den Hauptrollen. Mehr Infos auch auf der Website des Autors.
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